Ideen für eine erschöpfte Welt. Donna Haraway und die Kunst

Die Biologin Donna Haraway ist eine der einflussreichsten Denkerinnen in der Kunstwelt. Sie inspiriert zahllose Künstlerinnen und Künstler. Pedro Wirz ist einer davon. Seine Forschungen zum besseren Weiterleben auf diesem beschädigten Planeten, in engem Austausch mit der Natur, ohne die Technologie zu verteufeln, finden relevante Wegweiser in Haraways Büchern.
Donna Haraway brütet schon seit den 1980er Jahren darüber, wie eine gerechte Welt ausschauen könnte, die Menschen, Tieren und Pflanzen Rechte einräumt, auf der man Technologie mit indigenem Wissen zu verbinden weiß, Verantwortung übernimmt, sich kümmert, ohne Hierarchien.
Der Planet ist beschädigt, schauen wir hin und machen das Beste daraus, ist Haraways Credo. Wir sollten uns weder der zynischen bis apokalyptischen Da-ist-eh-nichts-mehr-zu-machen-Einstellung hingeben, noch dem Glauben, Technologie alleine würde diese Welt retten.

Ai WeiWei über Macht und Ohnmacht

In den vergangenen Wochen sind viele Künstler aufgefordert worden, sich politisch zu positionieren. Bei ihm besteht kein Zweifel, wo er steht: Ai Weiwei bezieht Stellung – und zwar immer. Er verdammt öffentlich Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, verurteilt die Flüchtlingspolitik der EU und benennt die Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat China. Sogar ins Gefängnis ist er für seine Überzeugungen gegangen, doch gebrochen hat ihn das nicht.
Ai Weiwei ist heute Chinas führender Dissident und Künstler, seine Kunstwerke sind mächtige Symbole, die ein breites Publikum ansprechen und immer wieder für Kontroversen sorgen. Die Wiener Albertina Modern zeigt jetzt eine umfassende Retrospektive seiner Arbeiten: Skulpturen, Filme und Installationen.

Zur Person: Ai Weiwei

Wer läßt 100 Millionen handbemalte Porzellansonnenblumenkerne in die Tate Modern kippen? Wer holt 1.001 Chinesen nach Kassel, damit die Documenta-Besucher ihnen dort beim Leben zuschauen können? Wer läßt wertvollste antike chinesische Vasen einfach fallen und zerspringen in tausende Scherben?

Ai Weiwei macht es, 64 Jahre alt und noch immer der berühmteste Künstler Chinas. Auch wenn die chinesischen Behörden und Medien versuchen den Regimekritiker totzuschweigen. Vor zehn Jahren saß Ai Weiwei in seiner Ex-Heimat China in Haft, weil er sich immer wieder für Meinungsfreiheit und Menschenrechte eingesetzt hatte. Über die Zeit der politischen Verfolgung, seine Kindheit unter Mao Zedong, seine Jahre in der New Yorker Kunstszene und über seinen Vater hat er vor kurzem in seiner Autobiographie „1000 Jahre Freud und Leid“ erzählt und damit auch Zeit- und Kunstgeschichte geschrieben. So populär wie umstritten setzt sich Ai Weiwei in seiner Kunst mit Überwachung, Zensur, Menschenrechten, Meinungsfreiheit, Menschenvertreibung, radikaler Verantwortung, der Macht der Schönheit oder der Wahrheit der Poesie auseinander. In Diagonal haben wir Ai Weiwei schon einmal portraitiert und ihn damals noch in seinem Atelier am Stadtrand von Peking besucht. Heute lebt er nach Berlin und Cambridge in Portugal, wo wir ihn zum neuerlichen Interview treffen. Bevor ihm die Albertina Modern in Wien im März 2022 die umfassendste Ausstellung ausrichtet, die es je mit seiner Laufbahn gegeben hat, legen wir verschiedene Steinchen aus Vergangenheit und Gegenwart zu einem akustischen Mosaik.

Das neue Munch-Museum

In Oslo wird mit Infrastruktur-Projekten und Kulturbauten nicht gekleckert, sondern geklotzt, sollen sie doch für internationales Renommee sorgen. Alles drängt ans Wasser, zum Fjord, zum Meer .

So auch das neue dreizehnstöckige Munch-Museum, dessen oberer Gebäudeteil sich wie der griechische Buchstabe „Lambda“ nach vorne neigt und so der Stadt und dem Fjord seine Reverenz zu erweisen scheint.

Das weltweit größte Museum, das einem einzigen Künstler gewidmet ist, wird jene Sammlung von fast dreißigtausend Werken beherbergen, die Edvard Munch einst der Stadt Oslo vermacht hat. Zwar war eine neue Heimat für die Werke von Norwegens bedeutendstem Künstler längst überfällig, die Konstruktion wie auch die Kosten von rund 200 Millionen Euro waren freilich nicht unumstritten.

Madonna oder Kurtisane. Tizians Frauenbild im KHM

Mit einer Schau der Superlative begibt sich das Kunsthistorische Museum Wien auf Aufholjagd, will man doch das Publikum, das pandemie-bedingt auf der Strecke geblieben ist, endlich wieder ins Museum locken. Zum 130. Geburtstag, den das international renommierte Haus Mitte Oktober feiert, hat sich Direktorin
Sabine Haagund ihr Team Besonderes einfallen lassen. 

Im Land der dissidenten Göttinnen. Diagonal zur Person Elisabeth von Samsonow

Sie flicht sich Zweige ins lange Haar und performt mit lebensgroßen Holzskulpturen, die sie selbst gemacht hat. Sie schreibt Bücher über Philosophie wie „Anti Elektra. Totemismus und Schizogamie“ oder über die Kunst Egon Schieles. Sie unterrichtet Anthropologie der Kunst an der Akademie in Wien und betreibt mit Künstlerkolleginnen „The Land of the Goddess“, ein eco art Projekt auf einem vier Hektar großen Territorium in Niederösterreich. Sie diskutiert im Fernsehen darüber, ob Frauen denken können oder im Radio darüber, wie der Kunstmarkt funktioniert. Die Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow ist aus dem österreichischen Kunstgeschehen nicht wegzudenken.

Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt. Diagonal zur Person Joseph Beuys

„Er tat in Wahrheit immer das Andere, immer das, was scheinbar abwegig war“, schreibt sein Biograph Heiner Stachelhaus über ihn: „100 Tage auf der documenta reden, sich in Filz einwickeln, stundenlang auf einem Fleck stehen, mit einem Kojoten zusammenleben, Leuten die Füße waschen, Gelatine von der Wand nehmen, den Wald fegen, dem toten Hasen die Bilder erklären, eine Partei der Tiere gründen und das Messer verbinden, als er sich in den Finger geschnitten hatte.“

Gerhard Richters Landschaftsbilder

Wenn sein Name fällt, werden meist im selben Atemzug Rekordsummen genannt, die seine Werke regelmäßig erzielen. Vor fünf Jahren wechselte etwa ein Abstraktes Bild von Gerhard Richter um knapp 41 Millionen Euro bei einer Auktion den Besitzer. Preise, die der 88-jährige gebürtige Dresdner übrigens selbst übertrieben findet. Richter ist ein Künstler, auf den sich irgendwie alle einigen können: jung und alt, der Mainstream und die Kritischen. Seit den 1960er Jahren verblüfft er mit permanenten Stilwechseln auf der Suche nach dem gelungenen Bild. Landschaftsbilder begleiten ihn von Anfang an. Erstaunlich, dass die Ausstellung, die diese Woche im Wiener Kunstforum eröffnet wird, erst die zweite in all den Jahrzehnten ist, die dieses Thema genauer untersucht. Ines Mitterer hat sich auf den Weg gemacht.

Raffael 500 – Eine Würdigung zum 500. Todestag

Die großangelegte und aufwändig vorbereitete Raffael Ausstellung in Rom hätte die Schau des Jahres werden sollen: Wertvolle Leihgaben, teure Restaurierungen, interessante Gegenüberstellungen von Antike und Renaissance, prächtige Madonnen und mächtige Päpste. Ende letzter Woche wurde die Ausstellung im Quirinalspalast eröffnet, seit gestern ist sie wieder geschlossen, wie alle anderen italienischen Kultureinrichtungen. Schon bei unseren Dreharbeiten stand im Raum, dass das auf unbestimmte Zeit die einzige Möglichkeit sein könnte, die Ausstellung zu sehen: auf dem Bildschirm.