Brasiliens Turbo-Metropole voll Schwermetall und konkreter Poesie
Sie ist die größte und produktivste der Mega-Cities Südamerikas. São Paulo, Brasiliens Wirtschafts- und Industriemetropole, bekommt man am ehesten mit Superlativen in den Griff. Wenn es überhaupt gelingt. Auf der einen Seite unvorstellbarer Luxus, obszöner Reichtum und die höchste private Hubschrauberflotte der Welt, auf der anderen Armut, Favelas, die unüberschaubare Drogenszene „Cracolándias“ mitten im Zentrum. Die kulturelle Verfeinerung auf die Spitze getrieben und die handfeste Hacklerkultur. Beton, Asphalt, Smog, grau in grau und eine blühende Kunstszene mit der zweitältesten Kunstbiennale der Welt. Die Gewerkschafter mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, wie der frühere Staatspräsidenten Lula da Silva, und die Börsianer in ihren teuren italienischen Designerschuhen. In São Paulo mit seinen 20,5 Millionen Einwohnern, und einer Skyline, die der von New York um nichts nachsteht, gibt es alles und alle! Bloss Werbung im öffentlichen Raum gibt es nicht. Kein Plakat, keine Leuchtreklame, nicht einmal ein Firmenschild, das in den Strassenraum ragen würde. São Paulo ist die weltweit einzige Stadt ohne Werbung. Zuerst gab es harsche Proteste gegen diese Maßnahme des regierenden Bürgermeisters Gilberto Kassab, jetzt finden die allermeisten Paulistanos ihre werbefreie Stadt toll. Und darin liegt dann wohl der größte Unterschied zwischen der oft „New York des Südens“ genannten brasilianischen Mega-City und ihrem Vorbild im Norden: gingen am Times Square alle Lichter aus, würde jeder an eine Katastrophe denken. In São Paulo freut man sich über die Rückkehr der Nacht und den unverstellten Blick auf die Substanz einer unfassbaren Stadt.