In der Hängematte den Amazonas entlang – eine Bootsfahrt am Zusammenfluss von Rio Solimões und Rio Negro.
Zwei Leben würden nicht ausreichen, um die Flüsse des Amazonasbeckens in Brasilien abzufahren, sagen die alten, erfahrenen Bootsführer, die sich im größten und wasserreichsten Flusssystem der Erde auskennen. Aber schon ein kurzes Eintauchen in diese Welt zwischen Wasser und Wald, rund um das legendäre Manaus mit seinem prachtvollen Opernhaus, macht staunen: Über den Zusammenfluss der zwei Flussgiganten Rio Solimões und Rio Negro, die sich unterhalb von Manaus zum Amazonas vereinigen – braun der eine, schwarz der andere – brauchen sie mehrere Kilometer, um sich zu vermischen. Über rosa Delphine und Babykaimane, Riesenseerosen und Piranhas im Suppentopf oder Indio-Dörfer, die Vertriebene aus der ganzen Region aufnehmen und zum lebendigen kulturellen Archiv werden. Die Stimmung, die einen bei gewaltigen Wolkenbrüchen oder stillen Sonnuntergängen am Fluss mitten im Regenwald überkommt, ist jener auf hohen Bergen, unter nächtlichem Sternenhimmel oder in der Wüste vergleichbar: hier ist etwas größer als man selbst.
Gestaltung: Ines Mitterer
In der Hängematte durch den Amazonas
Ines Mitterer / Peter Waldenberger
Ambiente am
ATMO: Passagierhafen
Text: Wer in Manaus, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Amazonas, ankommen will, kann das nur auf dem Luft- oder Wasserweg. Noch immer ist die legendäre Stadt, die sich zu ihrer Boomzeit zur vorletzten Jahrhundertwende europäisch inspirierte Architekturjuwele und ein gigantisches Opernhaus mitten im Regenwald geleistet hat, nicht auf Straßen zu erreichen. Das macht sie sogar für Brasilianer zur exotischen Destination, ganz zu schweigen von der nach wie vor sehr besonderen Kultur und Lebensart.
Der Hafen am Rio Negro, auf dem wir jetzt gleich ein kleines Schiff besteigen werden, ist der größte schwimmende Hafen der Welt. Und man ist hier hörbar stolz darauf ….
OT Valmir Mendonça historischer hafen von 1902 (1)
Mod. drüber: Der Hafen von Manaus ist ein historischer Hafen – er wurde von den Engländern 1902 gebaut, mit zwei schwimmenden Pontons, erklärt der Sicherheitschef des Passagierhafens Valmir Mendonça.
OT Valmir Mendonça historischer hafen von 1902 (2)
Mod.: Der Hafen sei also mehr als 100 Jahre alt, werde aber permanent geprüft und erneuert und sei daher voll funktionstüchtig. Der Hafen muss schwimmen, weil der Wasserstand des Rio Negro zwischen Hochwasser nach der Regenzeit im Juni/Juli und Niedrigwasser im Oktober/November um ganze 14 Meter steigt und sinkt. Manaus ist stromaufwärts die letzte große Stadt, ein Schiffsknotenpunkt von regionalen und Fernschiffen. Die Passagierschiffe sind mit Hängematten ausgerüstet, denn so mancher wird hier die nächsten 7 – 10 Tage und Nächte verbringen, bis er stromauf zu seinem Dorf kommt.
Die meisten Besucher begnügen sich mit fünf Tagen und bleiben in der Nähe von Manaus – das ist fürs erste eindrucksvoll genug!
ATMO: Schiff vorbereiten für Abfahrt
Mod.: Sidney Oliveira da Silvas Schiff, die „Harriet on the River“, ist vergleichsweise klein – gegenüber den Passagierschiffen und den großen Flußkreuzschiffen, die hier vor allem in den europäischen Wintermonaten an- und ablegen. Unter Deck 2 Minikajüten, Platz für 4 Hängematten an Deck und weitere 4, wenn man die schmale Holztreppe nach oben klettert. Auf diesem Boot haben maximal 10 Leuten Platz, davon sind 4 Crewmitglieder. Sidney und sein Vater José Ribarrá Ferreira da Silva haben beide für Greenpeace gearbeitet und schippern jetzt Kleinstgruppen durch den Amazonas Regenwald.
OT Sidney monate rauf monate runter 2 leben
voice over: Ich kann dir sagen, du kannst von hier aus Monate lang den Solimoes oder den Rio Negro mit seinen Nebenflüssen hinauffahren und Monate lang den Amazonas mit seinen Zuflüssen hinunterfahren. Es gibt da ein ziemlich altes Buch von einem Holzarbeiter, darin steht: du brauchst zwei Leben, um alle Flüsse der Amazonasregion kennenzulernen.
Mod.: Zuerst geht es einmal auf dem Rio Negro Richtung Atlantik, 12 Kilometer circa, um ein besonderes Schauspiel zu sehen: am Encontro das Águas vereinen sich der gewaltige Rio Negro und der nicht weniger gewaltige Rio Solimoes zum Amazonas. Erst ab hier heisst der Fluß bis zur Mündung dann auch in Brasilien so: Amazonas und das sind dann immer noch 1700 km. Wegen der unterschiedlichen Temperaturen und Zusammensetzungen der beiden Flüsse, braucht es viele Kilometer bis sie wirklich ineinander aufgehen, davor wellen sich die beiden Farben espressoschwarz der Rio Negro und Melangebraun der Solimoes ineinander, ohne sich zu vermischen….
OT Sid Encontro das Aguas
voice over: Das Wasser des Solimoes ist kälter als das Wasser des Rio Negro. Wenn du da reinspringst, wirst du spüren, dass das Wasser auf der einen Seite deutlich kühler ist.
Der Rio Negro ist wärmer, weil seine Zuflüsse näher beim Äquator liegen und das Wasser ist auch schwarz wegen dieser Zuflüsse. Am Oberen Rio Negro gibt es viel dunkles Gestein und viele Sedimente im Wasser; monatelang überschwemmt der Fluß bei Hochwasser den Waldboden, nimmt die Erde und das ganze Material, das da liegt, mit und hat deshalb diese Farbe.
Mod.: Hier springt man aber doch lieber nicht in den Fluß, um das zu testen. Das Baden im Fluß – stromaufwärts von Manaus ein erquickliches Vergnügen – verbietet sich flußabwärts, unterhalb der 2 Millionenstadt, die kaum Umweltauflagen und nicht einmal wirklich Kläranlagen kennt …..
ATMO: Boot und Motor und Wasser unterwegs
Mod.: Und so wendet Sidney das Schiff und fährt den Rio Negro hinauf, vorbei an Manaus, wo der Fluß nur (!) drei Kilometer breit ist, sodass man ihn vor einigen Jahren mit einer Brücke überspannt hat. Später wird er auch bei Niedrigwasser ganze 18 Kilometer breit sein, allein der Rio Negro.
Die Crew arbeitet, die Gäste schwingen sich in die Hängematten am Oberen Deck. Am Flußufer ziehen Sandstrände vorbei und dahinter Wald, Wald, Wald ……. scheinbar endlos.
Nur manchmal sieht man vereinzelt Stege und das eine oder andere Holzhaus am Ufer. Das Signal vom Mobiltelefon ist einige Kilometer nach Manaus weg. Das wars mit dem Kontakt zur Zivilisation.
Nach einigen Stunden Fahrt steuert Sidney auf einen Steg zu. Man könne sich hier anschauen, wie Indigene leben, etwas über ihre Lebensweise erfahren. Kein „gemma Indios schauen“, eine respektvolle Begegnung sollte stattfinden, wünscht sich Sid. Diese Dörfer leben von den Besuchern, erzählen über ihre Bräuche, führen ein in die komplexe Welt ihrer Tänze und Mythologien und verkaufen Kunsthandwerk, das ausschließlich aus Rohstoffen des Waldes gemacht ist, Schmuck, Spielzeug, Gebrauchsgegenstände wie Schalen, Musikinstrumente….. China und Plastik sind da ganz weit weg.
OT india artesania
Mod.: Alles, alles, was hier verkauft wird, sagt Rosa Maria, deren indianischer Name „Burra“ (Buchá) ist, was soviel wie „Mutter der Natur“ heisst, haben die Frauen aus dem Dorf gemacht. Vielleicht haben sie schon bemerkt, dass sie spanisch spricht. Rosa Maria stammt aus der Grenzregion zu Kolumbien – dort bedroht der Drogenkrieg das Leben der Waldbewohner und es gibt keine Arbeit. In dieses Dorf wie in viele rund um Manaus sind verschiedenste Ethnien geflüchtet, weil es dort, wo sie herkommen zu gefährlich für sie war: hier leben sie zusammen, auch wenn sie von verschiedenen Clans kommen.
OT Sid versch. Ethnien aus gefährlichen Gebieten
Mod. drüber: Drogenhandel oder agressive Landwirtschaft mit vorangegangenen Brandrodungen, oder illegaler Bergbau entziehen diesen Menschen ihre Lebensgrundlage, erzählt Sidney – hier haben sie ein paar Möglichkeiten, zu überleben, ohne ihre Kultur aufgeben zu müssen…..
ATMO: Indios leise im Versammlungsraum
Mod.: Der Pajé, der Schamane des Dorfes, lädt in den großen Versammlungsraum. Eine Holzkonstruktion wie eine enorme Scheune. Aussen rundherum verziert mit aufgemalten Rhomben und Kreisen in weiß und rot, das Dach aus Palmblättern. Drinnen wird ein kleines Feuer entzündet, das die bösen Energien fernhalten soll. Pajé Geremias alias Contecarrí heisst die Besucher willkommen und erklärt, warum gerade nicht so viel los ist, im Dorf – die einen mussten für Erledigungen nach Manaus, die anderen seien fischen.
OT cacique fluss hinauf nur mehr indios
Mod.: Hier lebten Mitglieder von 7 verschiedenen Ethnien zusammen, erklärt Geremias, aber flußaufwärts, wenn man so eine Woche flußaufwärts fahren würde, dann träfe man dort in den Dörfern natürlich nur mehr Indigene aus einem Volk.
MUSIK Dança do peixe
Mod.: Bei aller Verschiedenheit der Sprachen und Kulturen gibt es doch auch Gemeinsames: etwa, das Feiern von großem Fischfang, der ja eine wesentliche Nahrungsmittelquelle darstellt oder den Brauch, dass man immer in andere Dörfer auf Brautschau geht, niemals im eigenen Dorf, wo die Familienbanden zu groß sind. Dafür ziehen die jungen Männer in ein anderes Dorf, bitten die Väter um ihre Töchter und wenn die sie nicht ziehen lassen, werden sie zur Not auch geraubt, erzählt Geremias.
OT cacique großes fest 24 stunden
MUSIK: Tanz bei dem wir alle mitmachen sollen
Mod.: Ein Jahr später, man rechnet damit, dass bis dahin Nachwuchs da ist, packt man Frau und Baby wandert zur Familie der Frau und entschuldigt sich. Die Entschuldigung wird ausnahmslos angenommen und ein zweiwöchiges Fest gefeiert, an dem alle teilnehmen, mit exzessiven Tanz, Ess- und Trinkgelagen. Hochzeit auf indianisch. Geremias erklärt noch viel, was den Rahmen dieses Reiseberichts aber sprengen würde, deshalb ziehen wir akustisch jetzt weiter, nachdem wir um ein paar schöne Gegenstände reicher sind und das Geld dafür der ältesten Frau des Dorfes ausgehändigt haben. Nach ihren Vorfahrinnen, Kämpferinnen, in denen die Konquistadoren Amazonen sahen, wurde dieses riesige Gebiet benannt……
Langsam wird es Abend und die Crew sucht einen schönen Platz für die Passagiere und das Boot zum Übernachten. Blütenweisser Sandstrand macht die Ufer und Inseln im Fluß zum attraktiven Badeareal. Die Wassertemperatur liegt bei 30 Grad, aber es ist doch etwas ungewöhnlich, in einen schwarzen Fluß zu steigen. Sid, unser Kapitän, beruhigt:
OT Sid schön zum schwimmen; gutes wasser, delphine
voice over: Hier ist das Wasser sehr sauber, der Fluß ist sehr breit – an die 18 Kilometer – und die Wassermenge dadurch gigantisch und noch etwas: es gibt es: rosa Delfine …. sie fischen hier, man kann sie in dieser Region häufig beobachten.
Eine Besonderheit, diese Flußdelfine, auch Botos genannt. Am nächsten Tag fahren wir zu einer Plattform auf der anderen Seite des Flusses: dort werden sie zum Gaudium der Besucher gefüttert und man kann ihnen ganz nahe kommen.
OT Sid: wenn tiere kommen super, superplatz
Mod. drüber: berühren sollte man sie allerdings nicht. Sidney bringt seine Gäste nur an Plätze, wo das Tierwohl garantiert ist und das sei es hier.
ATMO: Delfine prusten
Mod.: Ein junger Mann steht bis zur Brust im Wasser und holt kleine Fische aus einem Kübel – bald tauchen lange blassrosa Schnauzen auf und versuchen danach zu schnappen. Aber man muss die Delfine gar nicht berühren, das machen schon sie – mit ihren glatten, festen bis zu 3 Meter langen Körpern schubsen sie alles aus dem Weg, was zwischen ihnen und dem Happen Fisch herumsteht. Warum wissen die Delfine, die da draussen in einiger Entfernung, vielleicht 1 – 2 Kilometer am Fluss herumschwimmen, dass Sie jetzt hier etwas zum Fressen bekommen?
OT frage ines warum weiss delfin …
Mod.: drüber: weil sie wie Haustiere seien, sagt der Mann, der sie füttert, wie ein kleiner Hund, der sein Herrchen sieht und weiss, jetzt gibt es etwas zum Naschen.
OT hoch
Mod.: Und dann wissen sie auch, dass es bald einmal vorbei ist und sie schwimmen weg- gefüttert wird nur ganz wenig, sodass sie sich 90% selbst fischen müssen, damit sie nicht faul und abhängig werden.
Also doch nicht ganz wie Haustiere …. Apropos Tiere …. zu Hause hört man, dass man es im Amazonas Regenwald mit einer Menge unerfreulicher Insekten zu tun bekommt, weshalb die meisten Besucher hier schwer verhüllt ankommen, um den monströsen Blutsaugern möglichst wenig nackte Haut zu bieten. Während die Amazonier in T-Shirt und Shorts unterwegs sind. Die Touristen fühlen sich bald overdressed und sind es auch. Sidney:
OT Sid Mosquito Gefahr – nicht einmal Mund aufmachen
voice over: Weil das Wasser des Rio Negro einen höheren Säuregrad hat, können Mosquitos hier kaum überleben. Es gibt sie praktisch nicht. Beim Solimoes ist es ganz anders – zwischen 6 und 8 am Abend gibt es so viel Mosquitos – dass du nicht einmal den Mund aufmachen darfst, sonst wirst du in die Zunge gestochen!!
ATMO: Motorengeräusch
Mod.: Zeit für einen kleinen Ausflug einen Nebenarm des Rio Negro hinauf. Sidney bleibt am Schiff zurück und die Gäste werden in das Schnellboot umgeladen, das immer mitreist. Am Rio Ariau stand bis vor zwei Jahren das luxuriöseste Hotel der Gegend – von Maradona bis zur Queen und den FIFA Granden während der Fußballweltmeisterschaft logierte alles in dieser 5Stern plus Anlage. Die Appartments und Zimmer waren mit feinstem Tropenholz in die Bäume gebaut, man erreichte das ganze am Besten via Hubschrauber und den erlauchten Gästen standen ein eigener Zoo, Pools und ein Golfplatz (!) zur Verfügung. Aber, was auf diesem Niveau in der Nähe einer Stadt gut funktioniert hätte, war hier, weit weg von allem, zum Scheitern verurteilt. Der Besitzer ging Pleite, das Hotel verfällt und zeigt anschaulich wie schnell sich bei diesem heissen und feuchten Klima die Natur auch die luxuriösteste Zivilisation zurückholt und verschluckt.
ATMO anlanden.
Mod.: Carlinhos, eines der vier Crewmitglieder, ist im Wald geboren, ein waschechter Amazonier, wie er erzählt.
OT Carlinhos bin amazonier, bisschen zivilisierter
Mod.: Mutter, Vater seien Indigene – er ein bisschen zivilisierter, sagt er und lacht. Er sei aber nicht aus dieser Gegend und es sei 10 Jahre her, dass er das letzte Mal zu Hause war, heimfahren wäre teuer und langwierig. Wieviele Kilometer es ungefähr bis zu seinem Heimatdorf wären, fragen wir und bekommen wie immer hier, keine Antwort in Kilometern ….
OT Carlinhos lange nicht zu hause
Mod.: 3-4 Tagesreisen am Schiff würde es dauern, wenn er seine Eltern besuchen wollte, erklärt Carlinhos und geht mit uns jetzt in den Wald, da kennt er sich von allen am besten aus; weiss, wie man sich orientiert – und was man tut, wenn man Hilfe braucht. Es ist plötzlich ziemlich viel heisser als noch am Fluß, die Bäume stehen dicht an dicht, einige davon haben hohe flache Wurzeln, die bis zur Hüfte aus dem Waldboden ragen – sie heissen „sapopema“ das Tupí Wort für flache Wurzel. Für Carlinhos und die seinen ein Kommunikationsmedium.
OT Carlinhos sapopema wenn velroren klopft
Mod drüber: sollte man verloren gehen, dann klopft man mit der Machete auf diese Wurzel:
….. das hören dann die anderen und fangen an zu suchen.
Dreimal klopfen heisst: ich habe mich verirrt und bin in Gefahr
OT Carlinhos 3 x klopfen
Mod.: Entwarnung gibt man mit 2 x klopfen und Carlinhos antwortet auf die Frage, ob er je ohne Machete in den Wald geht, mit ……
OT Carlinhos ohne machete nicht in den wald
Mod.: Also: unter keinen Umständen – man könnte ja auf eine kleine Schlange stossen und zack ist sie erledigt, oder man muss sich den Weg frei machen – wir Indigene aber schneiden nichts umsonst um, und nie zu viel – wir wollen die Pflanze ja nicht umbringen. Die Machete brauchen wir nur zur Verteidigung. Was wir nicht einmal sehen, kann Carlinhos lesen. Welche Teile von welchen Bäumen man essen kann.
OT Carlinhos Ast aufbrechen essen
Mod.: oder welche Medizin man aus welcher Rinde gewinnen kann. Der Amazonasregenwald ist das weltgrößte Reservoir an natürlichen Heilmitteln, auf deren Wirkkraft viele patentierte Arzneien der pharmazeutischen Industrie beruhen. Indigene gehen daher nicht zum Arzt und nehmen die Medizin, die ihnen der Wald zur Verfügung stellt.
OT Carlinhos medizin aus dem Wald
Mod.: … Panacarauba zum Beispiel ist gut für die Leber, damit kann man eine Leberentzündung heilen, oder das hier, das ist ein Amapá …
OT Carlinhos baum gibt milchige flüssigkeit
Mod.: da kommt eine milchige Flüssigkeit heraus und die setzen wir bei manchen Krebsarten ein.
OT hoch.
Mod.: Bei Hochwasser, also viele Monate im Jahr würden wir hier bis zum Bauch im Wasser stehen, man sieht es an den Wassermarken an den Bäumen. Jede Jahreszeit hat ihre faszinierenden Seiten, erzählt Carlinhos – bei Hochwasser seien es die vielen Tiere, die zum Wasser kommen.
OT Carlinhos schön, wenn Hochwasser
Mod.: und ausserdem könne man da mit dem Kanu zwischen den Bäumen herumfahren und sie beobachten, da gibt es viele Affen, Faultiere, jetzt bei Niedrigwasser kommen sie nicht hierher trinken, weil dann die Dichte der Piranhas im Wasser zu hoch ist. Hier in diesem Nebenarm des Rio Negro wäre es also nicht so schlau, ins Wasser zu gehen?
OT Carlinhos nicht schwimmen, Piranhas
Mod.: Nein, nein, nein, nein – es gibt viele Piranhas zu dieser Jahreszeit, wenn du da die Hand hineinhälst, bist du sie auch schon los…..
ATMO: Küche Schuppen abschaben
Mod.: Das Stichwort für das Abendessen. Bis dahin kamen hauptsächlich delikate Flussfische auf den Teller wie der riesige breitmaulige Pirarucu oder der archaisch ausschauende Tambaquí, auch riesig, immer begleitet von Reis, Bohnen und Farofa, dem allseits einsetzbaren gerösteten Maniokmehl. Heute bereitet Maria das Esgraças Saldanha de Oliviera, Sidneys Mutter eine Besonderheit zu ….
OT Mama sopa da piranha
Mod.: Eine Piranhasuppe – sie putzt gerade die Tiere mit den großen Zähnen und dem agressiven Ruf – um daraus einen Piranha-Eintopf zu machen, ich glaube, ihr würdet es wahrscheinlich Suppe nennen, sagt Maria …
OT Mama vorbereiten, putzen, sopa
Mod.: Es gibt viel zu putzen, die Schuppenmüssen weg, man muss die großen Gräten entfernen, sonst machen sie das Essen zum Spießrutenlauf.
OT Mama da sind Eier im Fisch viele junge Piranhas
Mod.: Piranhas seien am besten, wenn man sie kocht oder brät, frittieren ginge auch, aber da werden sie ein bisschen hart.
OT hoch bis ovada
Mod.: drüber: schau, die hat Eier, da werden viele kleine Piranhas daraus.
Die muss man wegwerfen, oder? Nein, nein, sagt sie, die geben einen guten Geschmack, die kommen hinein in die Piranhasuppe. Dieses Gericht ist echt aufwendig herzustellen, aber Maria weiss, warum sich die Arbeit lohnt:
OT afrodisiaco
Mod.: Piranhasuppe ist nicht nur sehr gut, Piranhas gelten auch als Aphrodisiakum. Na dann …..
ATMO: Schiffsglocke
Mod.: Beim Essen wird erzählt, warum man problemlos im schwarzen Rio Negro schwimmen können, aber nicht in den unzähligen bräunlichen Nebenarmen: auch Piranhas mögen das schwarze Wasser nicht und die rosa Delphine, die sich da tummeln gehören zu ihren natürlichen Feinden. Und: wo es Piranhas gibt, gibt es immer auch Kaimane. Also: Finger weg vom Wasser in den Nebenflüssen. Maria ist eine begnadete Köchin und sie liebt, was sie tut, wie sie auch die Gegend hier liebt – die Weite der Flüsse im Abendlicht, den dichten Wald, nie würde sie anderswo leben wollen, sagt sie, ein Leben ausserhalb des Amazonas sei für sie nicht vorstellbar.
OT Maria kein Leben ausserhalb Amazonas vorstellbar
Mod.: Die Natur tut so gut, unseren Kindern und Enkeln. Und die Kultur der Menschen hier im Einvernehmen mit der Natur ist auch besonders. Ich mag es gern hier.
ATMO:nachts Boot, Frösche, Stimmen
Mod.: Die Abende im Amazonas sind lang, die Dunkelheit fällt, weil der Äquator so nah ist, jeden Abend um sechs ein.
Da gibt es viel zu erzählen.
ATMO: hoch
Mod.: Und den beiden erfahrenen Kapitänen hört man gern zu: der Vater José Ribarrá Fereira da Silva, hat lange in der Holzbranche Schiffe gesteuert – er kennt hier jede Flußbiegung ….. Heute hält ein Kopftuch seine etwas längeren Haare im Zaum – er schaut aus wie ein AmazonasPirat.
OT Sid + Zeca immer am Boot, Baby, Holz
voice over: Mein Vater hat sein ganzes Leben auf den Schiffen verbracht und ich bin dabei seit ich ein Baby war. Ich gehöre einer neuen Generation an, aber als mein Vater unterwegs war, war alles noch viel komplizierter.
voice over Zeca: Ich habe 1976 angefangen, auf Schiffen zu arbeiten, das war zur Zeit der Hochblüte der Holzfällerei hier. Das Tropenholz war sehr gefragt und der Handel damit noch nicht verboten wie jetzt. Da war man lange auf dem Schiff unterwegs, 10 – 12 Tage hat allein die Reise den Fluß hinauf gedauert, manchmal bin ich bis zu 8-9 Monate nicht nach Hause gekommen. Mobiltelefone gab es damals noch nicht, ich bin weggefahren und hab erst bescheid gesagt, kurz bevor ich dann wieder heimgekommen bin.
Mod.: Eine unerschöpfliche Quelle von Geschichten, sind nach wie vor die indigenen Dörfer, 10 und mehr Tagesreisen flußaufwärts – sie leben wirklich noch nach ihren eigenen Gesetzen.
OT Zeca ohne Kontakt zu Weissen
voice over: Sie haben nichts von den Weißen übernommen, kein Telephon, keinen Strom, nichts! Sie haben auch keinen Besitz, gerade einmal eine Schüssel zum Essen und ein Messer, aber sonst nichts!!
OT Sid Opa nackt und ohne Gewand
voice over: Mein Opa, der Vater meiner Mutter hatte mehr mit Indigenen zu tun und immer, wenn er in ihre Dörfer gegangen ist, hat er auch sein ganzes Gewand ausgezogen, um ihnen gleichwertig zu sein.
voice over: Zeca. Aber ein Weißer hält es dort ohne Gewand nicht lange aus, es gibt so viele Insekten, die fressen dich roh, wie du bist, nur die Indios können damit umgehen. Länger als einen Tag kannst du dort ohne Schutz nicht überleben.
Mod.: Direkt am Rio Negro gibt es diese Probleme nicht. Da gibt es auch abends weniger Gelsen als im Sommer an der Adria.
Was man hier in der Wildnis aber auch nur mit viel Glück zu sehen bekommt, sind die wilden Tiere, für die der Amazonas Regenwald bekannt ist: der Jaguar, das Faultier, die Affen, die Schildkröten, Kaimane, Boas und Anakondas, Tucane und Capybaras. Aber die könnten wir uns in Manaus anschauen, raten Sidney und Zeca – sowohl der Zoo als auch der botanische Garten da wären erstklassige wissenschaftlich geführte Institutionen, die das Tierwohl genauso im Auge haben wie die Informationslust der Besucher. Bevor unser Schiff, die Harriet on the River aber dahin zurückfährt – es wurde Nacht und wieder Tag – gibt es noch ein klassisches Amazonas Abenteuer zu bestehen …..
ATMO: Gewitter
Mod.: Eines der Gewitter, die hier ganz normal sind, dem durchschnittlichen Europäer aber ganz schön Angst machen können, vor allem bei dem dazugehörigen hohen Wellengang auf einem Kahn mitten im großen Fluß und ohne HandyNetzverbindung …. schnell wird alles sicher unter Deck verstaut, die Möbel festgebunden, Plastikplanen heruntergelassen. Trotzdem wird fast alles nass – solche Wassermengen schleudert der Wind von allen Seiten ins Schiff. Sidney erweist sich als gewissenhafter Kapitän, steuert das Schiff in die Nähe des Ufers, aber auch nicht zu nah, in den Windschatten einer kleinen Insel.
ATMO hoch
Mod.: Nach 20 Minuten ist der Spuk vorbei – die dunklen Wolken haben sich verzogen, der Fluß beruhigt sich, die Plastikplanen werden zurückgeschlagen und man wischt das Wasser von Bord. Zurück, flußabwärts geht es schnell und die 3 Kilometer lange Brücke vor Manaus zeigt sich in wenigen Stunden. Die „andere“ Wirklichkeit greift schon vom Ufer aus nach der kleinen Reisegesellschaft; mit ihren Segnungen der Technik, aber auch den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts von Armut über Müll bis Klimawandel und man verspricht sich, wieder hinauszufahren auf dem großen Fluß in den großen Wald sobald es geht, schließlich soll bei Hochwasser alles wieder ganz anders sein ….