Joseph Beuys wäre heuer 100 Jahre alt geworden und auch 35 Jahre nach seinem Tod bleibt er die schillernde Persönlichkeit, die Kunst und Leben so aufregend miteinander verflochten hat, wie kaum jemand anderer. Was der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Marcel Duchamp war, war der zweiten Joseph Beuys. Ein Künstler, der aus allen bis dahin gekannten Rahmen gefallen ist. Er hat ausser Filz, Fett und Bäume auch das öffentliche Reden zum künstlerischen Material gemacht, auf der Kunstakademie in Düsseldorf, mit Politikern, im Fernsehen. Den einen wurde er zum „Schamanen und Scharlatan“, den anderen zum „Leonardo da Vinci unserer Zeit“. Ein hochproduktiver Künstler, der mehr in Aufruhr bringen wollte als nur die Kunstwelt in seinem Paradeoutfit: Jeans, Anglerweste, Hut.
Wobei sein berühmtester Ausspruch gern missverstanden wird. In dieser Sendung korrigiert Joseph Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ sei ja nichts anderes als das Entstehen einer neuen Kunstdisziplin, die jeder Mensch potentiell kann, nämlich am sozialen Leben gestaltend mitzuwirken. „Wenn ich sage, jeder Mensch ist Künstler, wird da ja nicht behauptet, jeder Mensch ist Maler oder Bildhauer oder Musiker.“
Kollege Michael Arntz hat bisher kaum zugängliche Aufnahmen von Beuys-Aktionen und Beuys-Interviews zu diesem Thema mit den Stimmen von Zeitzeugen zu einem eleganten Feature verwebt. Zu Wort kommen da der Galerist René Block, Ursula, die Witwe des Komponisten Henning Christiansen, der Kunsthistoriker Franz Joseph van der Grinten, Kunsttheoretiker Bazon Brock, der Künstler und Autor Johannes Stüttgen, der Künstler Jonas Hafner und die Kunsthistorikerin Rhea Thönges-Stringaris aus Kassel, die hier heute schon zu hören war. Sie erinnern sich an die klingende Seite des Joseph Beuys. Vorhang auf!
DIGAS: Feature: Ich hoere die Baeume /Arntz 16.08
MUSIK Joseph Beuys A Endless Music Goes Zen ca. 2.14
Mod.: drüber: Beuys und die Musik – ein Feature von Michael Arntz war das. Und hier hören wir hinein eine Komposition, die Joseph Beuys mit Albrecht/d aka Dieter Albrecht geschaffen hat. „A Endless Music geos Zen“ und wir gehen für ca zweieinhalb Minuten mit……
MUSIK hoch
Mod.: A Endless Music goes Zen. Die Idee dahinter, ein Klangerlebnis zu schaffen, das man weniger mit den Ohren hört, als auf der Haut spürt …… Diagonal heute: Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt. Zur Person Joseph Beuys – er wäre Mitte Mai 100 Jahre alt geworden.
ATMO: Baumpflanzung
Mod.: drüber: Hinter dem Belvedere21 in Wien, gegenüber dem Erste Campus, wo früher der Südbahnhof war, wird ein Bäumchen gepflanzt – eine Eiche natürlich. Anlaß dafür ist Beuys 100. Geburtstag und die Ausstellung, die ihm dazu ausgerichtet wird. Einige bedeutende Werke sind da: von der Honigpumpe am Arbeitsplatz, die Beuys während der Documenta 6 1977 in Kassel betrieben hat bis zum Basisraum nasse Wäsche, der in Wien entstanden ist. Film- und Fotodokumente einiger wichtiger Aktionen wie der mit dem Kojoten oder dem Hasen machen das Erlebnis von damals nachvollziehbar. Zum ersten Mal aufhorchen lassen hat Beuys in Wien mit der Aktion „Eurasienstab“ 1967 in der Wiener Galerie nächst Stephan. Das war der Beginn einer langen und fruchtbaren Beziehung.
MK: An der zentralen Stelle der Aktion stemmte und balancierte der Künstler einen schweren Stab aus Kupfer ziwschen einer Fettecke und Filzwinkeln von Ost nach West. Magisch-religiöse Überlieferungen weisen Stäben unterschiedliche Arten von Wirkmacht zu. Physikalisch hat Kupfer die Eigenschaft, elektrische Energie zu leiten. Metaphorisch sollte der Stab einen Mangel im analytischen logischen Denken des westlichen Menschen vor Augen führen und zugleich die Reintegration einer intuitiven Form der Wahrnehmung bewerkstelligen. Dieses besitze seiner Meinung nach in östlichen Regionen und Kulturen der Erde einen höheren Stellenwert und sollte das westliche Denken qualitativ ergänzen.
DIGAS: Studiogespräch Harald Krejci 10.12
Mod.: Ok … Beuys bleibt im Gespräch….. Harald Krejci, ich wünsche ihrer Ausstellung im Belvedere21 viele Besucherinnen und sage: vielen Dank, dass Sie da waren!
DIGAS: Studiogespräch danke!
MUSIK: Fishermen Dressed Like Joseph Beuys 2.02
Mod.: Die Elektroniker der 90er Jahre hat Beuys vor allem mit seinem Freiheitsgedanken inspiriert. Die Postrockgruppe To rococo rot etwa zu ihrem Stück: Fishermen Dressed Like Joseph Beuys.
MUSIK hoch
Mod.: Fishermen Dressed like Joseph Beuys. Apropos Nachwirkung. Beuys war ein sehr inspirierender Professor dort an der Kunstakademie in Düsseldorf. Was halten Kunststudierende heute von ihm? Teresa Schwind hat sich umgehört.
DIGAS: Studis / Schwind 6.51
Mod.: Den Konflikt aushalten und bloß nicht scheuen, das war eines der Lebensmottos von Joseph Beuys! Mehr als 300 Stunden Bewegtbildmaterial und rund 150 Stunden Audiomaterial zu Joseph Beuys finden sich in einem Archiv im Hamburger Bahnhof, dem Museum für Gegenwartskunst in Berlin. Für einige Monate hat sich der deutsche Filmemacher Andres Veiel durch dieses Archiv geschaut und gehört und nicht nur einen humorvollen oder schwermütigen, sondern auch den politischen Beuys entdeckt. All das zeigt der Film, den Veiel daraus gemacht hat. Ein Dokumentarfilm mit dem schlichten Titel „Beuys“. Anna Katharina Laggner hat ihn gesehen.
DIGAS: Film / Laggner 8.35
Mod.: Ein Ausflug ins Kino mit Anna Katharina Laggner war das. Den Beuys Film gibt es als DVD aber auch auf gängigen Plattformen im Netz als Kauf-Video und wenn möglich – so Corona will – kann man ihn in Wien auch im Kino erleben: am 12. Mai, also am Tag seines 100. Geburtstages zeigt ihn das Filmcasino. Und das Musikstück, das jetzt kommt, führt uns schon zum nächsten Beitrag und verweist auf Joseph Beuys Kriegserfahrungen im 2. Weltkrieg. Fluxuskünstler Al Hansen stellt sein Stück selbst vor.
MUSIK: Joseph Beuys Stuka Bomber Piece / Al Hansen
Mod.: und das geht dann noch eine schöne Weile so weiter. Al Hansen und Joseph Beuys Stuka Bomber Piece. Beuys, als Kind bei der Hitlerjugend, dann freiwillig gemeldet bei der Wehrmacht hätte – geläutert nach dem Krieg, die Deutschen mit Auschwitz konfrontiert. Sagen die einen und verweisen wie der schweizer Kunsthistoriker Philip Ursprung im gerade erst erschienen Band: JB – Kunst.Kapital:Revolution darauf hin, dass Beuys ohne seine Auseinandersetzung mit den Schrecken des NS Regimes, etwa in seiner Arbeit „Auschwitz Demonstration“, niemals der Künstler geworden wäre, den wir dann kennengelernt haben. Beuys als Geschichtsverdreher und rechten Esoteriker sehen die anderen, etwa Hanno Rauterberg in der Zeit oder Ulrike Knöfel im Spiegel. Er habe immer wieder Auschwitz relativiert, ließ einen ehemaligen Nazifunktionär und Holocaustleugner bei einer seiner Aktionen auf der Documenta auftreten, besuchte bis in die 1970er Jahre die Kameradschaftsabende der Stuka-Flieger und habe sich nie kritisch mit seiner Geschichte als Soldat der Wehrmacht auseinandergesetzt. Stattdessen, seinen Flugzeugabsturz 1943 zur Privatlegende inklusive filziger und fettiger Heilung umgeschrieben. Erich Klein entführt uns zur Klärung der Umstände auf die Krim….
DIGAS: Krim / Klein 11.18
MUSIK: Abschiedssymphonie / Henning Christiansen ca. 2.33
Mod. drüber: Erich Klein mit einer Zeitreise … Und das ist die Abschiedssymphonie – eine Soundcollage von Henning Christiansen mit Elementen eines Konzertes von Nam Jun Paik und Joseph Beuys.
MUSIK: hoch
Mod.: Nam Jun Paik agierte auf der Bühne, als dieses Konzert aufgenommen wurde, Beuys nahm vom Krankenbett aus Teil, via Telephon. Beuys wirkt in der Kunst nach – auch 35 Jahre nach seinem Tod. Gerade im vergangenen Jahr ging eine kleine Schockwelle durch Deutschland. Ein Kunstkollektiv namens „Frankfurter Hauptschule“ hatte sich eine Beuyssche Strategie und ein berühmtes Werk quasi „ausgeborgt“, um damit auf Defizite im Umgang mit Raubkunst aufmerksam zu machen. Die Frankfurter Hauptschule, das sind rund 20 Künstlerinnen und Künstler, die weder ihre Gesichter zeigen noch ihre Namen nennen wollen – das haben sie nicht von Beuys, schon aber ihr Vorgehen ganz im Sinne der sozialen Plastik, die den Anspruch stellt, auf die Gesellschaft gestaltend einzuwirken …. Mehr von Teresa Schwind.
DIGAS: Frankfurter Hauptschule / Schwind
Mod.: Ein bisschen Scheisse – damit kommen wir zurecht. Das war ein Diagonal zur Person Joseph Beuys zu seinem 100. Geburtstag, den er am 12. Mai heuer gefeiert hätte. Lektürehinweise und weiterführende Links finden Sie wie immer auf unserer Seite im Netz: oe1.orf.at/diagonal. Und ein Schlusswort noch:
OT Beuys Schluss
Sign.:
Mod. drüber: Studiotechnik: Otmar Bergsmann, Gerald Domjan, Günter Tomasch und Martin Leitner. Gesprochen haben: Bernhard Eppensteiner, Michael Köppel, Alexander Rossi und Nina Strehlein. Mit Beiträgen von: Michael Arntz, Erich Klein, Anna Katharina Laggner, Thomas Mießgang, Lina Paulitsch, Teresa Schwind und Marie-Therese Sekwenz. Regie: Marie-Claire Messinger. Redaktion und Moderation: Ines Mitterer.