Im Land der dissidenten Göttinnen. Diagonal zur Person Elisabeth von Samsonow

Auch, weil sie Rätsel aufgibt, wenn sie sich etwa zum Queersein bekennt, wobei Zitat – „mein Queer-Sein eine „Interspecies Relationship“ ist, nämlich eine zwischen Mensch und Pflanze. Das Weibliche ist das große Thema bei Elisabeth von Samsonow und sie traut einem matriarchalen System im Umgang mit der angeschlagenen Welt mehr zu, als dem bisher in den meisten Teilen der Welt herrschenden patriarchalen Systemen. Dieser Gedanke liegt auch ihrem Projekt „THE DISSIDENT GODDESSES‘ NETWORK“ zugrunde, das sich im Zusammenwirken von Wissenschafterinnen und Künstlerinnen der Herausforderung eines zukunftsweisenden ökologischen Denkens stellen will.

 

Im Land der dissidenten Göttinnen. Diagonal zur Person Elisabeth von Samsonow

12. Juni 2021

Moderation: Ines Mitterer               Regie: Petra Erdmann

 

Sign. + Anfangscollage über ATMO ab 1’38 (…hat die doch einen wunderbaren schutz)

Mod.: Die Künstlerin und Philosophin Elisabeth von Samsonow legt Hand an. Das klingt dann so:

ATMO: Schaufeln

Mod.: Oder so:

ATMO: Säge

Mod.: oder so:

ATMO: Stemmeisen

Mod.: oder, man kann ihr beim Denken zuhören:

OT Sam / MOD Karrierewunsch Päpstin

Mod.: Ein Ziel hat sie also noch. Sonst hat sie viel erreicht und wir erzählen davon. Heute in Diagonal:

MK: Im Land der dissidenten Göttinnen. Zur Person Elisabeth von Samsonow.

Mod.: Eine umtriebige und wortgewaltige Person, die im Kunstumfeld alle kennen – die darüber hinaus aber vielfach noch zu entdecken ist.

MK: Bio:

Geboren 1956 in Neubern am Inn. Bayern.

Studium der Philosophie und Theologie in München mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung an der nahen Akademie der Bildenden Künste, vor allem in der Klasse von Daniel Spoerri.

Stadträtin im bayrischen Tittmoning, wo sie mit einem Blasphemievorwurf konfrontiert ist. Ausgelöst von einer Krötenskulptur vor der Kirche

OT SAM / MOD Kröte

MK: Umzug nach Wien. 1996 erste ProfessorIN an der Akademie am Schillerplatz. Ihr Lehrstuhl für „Sakrale Kunst“ wird bald umbenannt in „Philosophische und Historische Anthropologie der Kunst“.

Unterrichtet da seitdem.

Diverse Projekte von Venedig bis Galway. Publikationen. Wohnhaft in Wien und im niederösterreichischen Hadres.

Auffällige Outfits. Scharfes Denken. Leidenschaftliches Engagement. Mädchenhaftes Auftreten.

OT SAM / MOD Mädchen

Mod.: Sie flicht sich Zweige ins lange Haar und performt mit lebensgroßen Holzskulpturen, die sie mithilfe von Motorsäge, Hammer und Stemmeisen selbst gemacht hat. Sie schreibt Bücher über Philosophie und beackert den Boden im Weinviertel.

Sie ist aus dem österreichischen Kunstgeschehen nicht wegzudenken. Auch, weil sie Rätsel aufgibt, wenn sie sich etwa zum Queersein bekennt, wobei Zitat:

SCHEIDLE: „mein Queer-Sein eine »Interspecies Relationship« ist, nämlich eine zwischen Mensch und Pflanze. Mir ist es zu langweilig, nur zwischen den binären Kategorien der Geschlechter zu wählen, zwischen männlich und weiblich. Mittlerweile bin ich ziemlich weit in diesem queeren Pflanzenstadium vorangekommen, weswegen ich das Weibliche noch mal anders betrachten kann.“

Mod.: Sie werden sich also wundern, was alles möglich ist. Das ist der Ausblick:

MK: Und dann mach ich so was Chirurgisches

Mod.: Als Ludus serius, als ernsthaftes Spiel, beschreibt Elisabeth von Samsonow ihre Performances mit den von ihr selbst gefertigten, meist Menschengroßen Holzskulpturen. Und um den Austausch mit und das Verstehen von anderen Wesenheiten, Körpern, Pflanzen, Tieren, der Welt geht es in ihrem vielfältigen Werk, ob Malerei, Bildhauerei, Performance oder Film. Was viele im Kunstbetrieb erst jetzt entdecken – die künstlerische Arbeit an und mit der Natur – das praktiziert Samsonow schon sehr lange. Was das auch noch mit Ökologie und Feminismus zu tun hat, ergründet Christine Scheucher.

MK: Im Land der Göttinnen

Mod.: Das sind vier Hektar Weingärten, Wald, Macchia und ehemaliges Kulturland in der Nachbarschaft von Hadres, dem Ort, in dem eine gute Autostunde von Wien entfernt Richtung Nordwesten, Samsonow ihr Domizil hat. Hier pflanzt sie paradiesische Bäume, braut Göttinnenwermut und erzählt, wie man verarmtem Boden wieder Leben einhauchen kann. Und: warum das wichtig ist, für die Landschaft, die Landwirtschaft, das Klima, die Kunst und überhaupt.

MUSIK: Kapelle Hadres

MK: Wir waren für Österreich das letzte Eck

Mod.: sagen die Bewohner des nördlichen Weinviertels, an der Grenze zu Tschechien, dort wo Hadres liegt und berichten Roman Tschiedl über ein Leben im Abseits, vor dem Eisernen Vorhang, erzählen über den kleinen Grenzverkehr, über Sommer voller Wind und ohne Regen, über die Bemühungen, das Land wieder diverser und fruchtbarer zu machen. Und die Musikkapelle spielt dazu.

MK: Generationenspiel

Mod.: Elisabeth von Samsonow greift gern auf die Prähistorie, die Mythologie oder die Weltsicht indigener Völker zurück, wenn es darum geht, weibliche Positionen neu auszuloten. Wie ihre feministische Weltsicht von jüngeren Generationen reflektiert wird, versucht Christine Scheucher im Gespräch mit Samsonow und der Künstlerin Sophia Süßmilch zu ergründen.

MK: Von Macht und Mädchen. Das Denkstück

Mod.: Samsonow hat als Philosophin viel über die Rolle der „Tochter“, des Mädchens, nachgedacht. Eine ihrer zentralen Figuren ist Elektra, die tragische junge Frau, die mithalf, den Tod ihrer Mutter Klytaimnestra und deren Geliebten zu planen. „Anti-Elektra. Totemismus und Schizogamie“ heisst ihr bisheriges Hauptwerk, in dem sie die Figur des Mädchens als Gegenprogramm zu den eingefahrenen Mustern der patriarchalen Gesellschaft entwickelt. Thomas Mießgang hat sich eingelesen.

MK: Kleinmöbel und Musik

Mod.: In Diagonals Feinem Musiksalon geht es heute tierisch zu. Peter Waldenberger stellt die LP „Les Machine Molles – The Fox and other Remixes“ des steirischen Labels „Pumpkin Records“ vor. Eine vergnügliche Hommage an die Sprache diverser Tiere. Und natürlich haben wir von Elisabeth von Samsonow eine Musikliste erhalten. Ganz oben auf, das hier:

MUSIK: Whole lotta love / Led Zeppelin

Mod.: Whole lotta love, Led Zeppelin und da hört man schon, wie Elisabeth von Samsonow musikalisch sozialisiert worden ist, damals in ihrer Jugend in München. Die Philosophin und Künstlerin steht heute im Mittelpunkt dieser Sendung.

Das Archaische und Mythologische interessiert sie und vieles davon betrachtet sie aus einem feministischen Blickwinkel. So ist sie zum Beispiel ziemlich überzeugt davon, dass eine Frau die Venus von Willendorf geschaffen hat. In ihrem Blog „Artemisia“ bezeichnet die Kunsthistorikerin und -Publizistin Nina Schedlmayr Samsonow als „Universalgelehrte“. Hinter ihren Kunstwerken oder vielleicht unter ihren Kunstwerken stehen ausladende Gedankengebäude, wo von Mythologie über Prähistorie, Naturkunden und Philosophie, Ökologie und Machtpolitiken alles zu Hause ist.  Christine Scheucher schaut und hört Samsonow beim Arbeiten zu.

DIGAS: Kunstbeitrag / Scheucher

Mod.: weiss Christine Scheucher. Diagonal heute zur Person Elisabeth von Samsonow – und mit einem Song aus Samsonows Musikliste geht es weiter. Aufgenommen 1969 live – ja, genau in Woodstock: Joni Mitchel

MUSIK: Woodstock live / Joni Mitchell                   aussteigen bei 3.27 möglich!!

Mod.: Joni, die Große, Mitchell, damals in Woodstock. Da war Elisabeth von Samsonow gerade einmal 13 Jahre alt. Wir wandeln heute mit ihr im Land der dissidenten Göttinnen.

DIGAS: Pflanzungen / Mitterer

Mod.: Ist in einer irrsinnig gewordenen Welt das Verrückte nicht das Vernünftige? In Kalifornien brennen die Hügel – singt Billie Eilish. All the good girls go to hell „cause even God herself has enemies”……

MUSIK: All the good girls go to hell / Billie Eilish

Mod.: All the good girls go to hell. Billie Eilish. Eine, die definitiv ein „good girl“ war, sich aber sicher den Himmel ausgesucht hat und nicht die Hölle, ist die vor wenigen Tagen verstorbene Friederike Mayröcker, mit der Elisabeth von Samsonow eine lange und innige Freundschaft verbunden hat.

Zitat Mayröcker (zaghafter)

ATMO: Sound Exokorpus

Mod.: Friederike Mayröcker in „brütt oder Die seufzenden Gärten“. Darin beschreibt die Schriftstellerin, wie sehr sie Elisabeth von Samsonow „animiere“. Ihr Austausch über Briefe. Samsonow wiederum setzt Mayröcker in ihrer Filmarbeit „Labor des Exo/Endokorpus“ ein. Mayröcker steht und sitzt da in der riesigen, den ganzen Kirchenraum der Dominikanerkirche in Krems ausfüllenden Klangskulptur von Samsonow, ganz in schwarz, hört zu und übergibt einem weiss gekleideten blondgelockten Kind einen kleinen Zettel.

Thomas Mießgang hat Samsonows Wertschätzung für Friederike Mayröcker eingefangen.

DIGAS: Mayröcker Würdigung / Mießgang

Mod.: Die Stupefactio, der Rausch, die Liebe. Donna Summer soll hier auch vorkommen, bitteschön!

MUSIK: I feel love / Donna Summer bearb. Bei 2.30 aussteigen!!

Mod.: Es ist wirklich eine Gegend, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Viele Hasen haben wir gesehen, die Füchse haben sich tagsüber zurückgehalten. Da rund um Hadres im nördlichen Weinviertel, wo Elisabeth von Samsonow ihr ökofeministisches und futuristisches Göttinnenland eingerichtet hat und gemeinsam mit den alteingesessenen Bewohnerinnen und Bewohnerin über die Themen diskutiert, die da auftauchen: Klimawandel, Trockenheit, arme Böden, aber auch die Jungen, die wegziehen in Gegenden, die mehr zu bieten haben. Immer öfter aber finden sie auch eine Aufgabe für sich im Ort. Ob beim Weinbau oder in der Musik. Viele Kunstarbeiter aus der Stadt sind in den letzten Jahren zugezogen – Museumsdirektorinnen und Künstlerinnen, Architekten und Galeristinnen. Gerade das Ruhige, Abgeschiedene, Unaufgeregte hat sie hierher gebracht. Ist ja auch nicht weit bis in die Hauptstadt, wo sie dann doch wieder ihrem Beruf nachgehen müssen, wenn die Zeiten des Homeoffice zu Ende gehen. Die immer schon da Ansässigen, die lange eine harte Grenze gleich ums Eck erlebt haben, stehen den neu Zugezogenen mit Skepsis oder Offenheit gegenüber – je nach Naturell. Roman Tschiedl hat sie besucht. Es sprechen: ein Aufsichtsjäger, ein Rebschulist und Winzer, eine Winzerin, Kinesiologin und Gastronomin und ein Steinmetzmeister …

DIGAS: Hadres / Tschiedl + MUSIK

Mod.: Ein akustischer Lokalaugenschein von Roman Tschiedl war das – die Musik in der Mitte des Beitrages lieferte die Dorfmusik Hadres. Das Stück am Schluß ist der Soundtrack der Poltfilme, die im Pulkautal und auch speziell in Hadres gedreht worden sind.

Diagonal heute aus dem Land der dissidenten Göttinnen, ein Portrait der Philosophin und Künstlerin Elisabeth von Samsonow. Sie war in vielem die erste Frau im Amt. Ob als Stadträtin im bayrischen Tittmoning oder als Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Im Fernsehen hat sie einmal erzählt, dass ihr Professor an der Uni einen Lachkrampf bekommen hätte, als er versucht hat, sich eine Frau Doktor der Philosophie vorzustellen – ja, das war damals noch so. Mann hat sich inzwischen sogar an eine Frau Bundeskanzlerin gewöhnt, feministischer Aktivismus in Kunst und Leben bleibt aber Pflicht. Meint wie viele andere, Sophia Süßmilch, Künstlerin einer jüngeren Generation. Sie mischt ganz viel Lust und Humor in ihre nackte Körper Arbeiten: da läßt sie sich einmal mit ihrer Mutter in 125 Kilo weicher Butter einpacken, in die am Ende Blumen gesteckt werden oder läßt ihre  Brüste mithilfe von meterlangen Stoffschläuchen im 70er Jahre Muster über die Wiese wachsen … ein fröhlicherer Zugang als die Pionierinnen der 1970er Jahre mit ihrer Tendenz zur Selbstverletzung. Wie sich die Zugänge verändert haben, diskutiert Christine Scheucher mit Sophia Süßmilch und Elisabeth von Samsonow.

DIGAS: Feminismus in der Kunst damals / heute / Scheucher

Mod.: Elisabeth von Samsonow, Sophia Süßmilch und Christine Scheucher im Gespräch. Wir verreisen jetzt nach Italien. Auf Samsonows Musikliste steht: Alice „Prospettiva Nevski“ aus dem fernen 1985 – das war im österreichischen Radio wohl auch schon länger nicht zu hören ….

MUSIK: Prospettiva Nevski / Alice

Mod.: Diagonal heute zur Person Elisabeth von Samsonow und einen ganz besonderes Denkstück haben wir uns für den Schluß aufgehoben. Als Philosophin und umfassendst gebildete Universalgelehrte wird Samsonow oft für Interviews und Gespräche auch im Fernsehen oder Radio angefragt, um ihr eigenes philosophisches Denken geht es dabei aber so gut wie nie. Denn das erfordert schon konzentrierte Denkarbeit. Thomas Mießgang gibt eine Einführung.

DIGAS: Philosophie / Mießgang

Mod.: Thomas Mießgang mit Einblicken in die Philosophie von Elisabeth von Samsonow. Und musikalisch hätten wir jetzt noch einen jungen Mann, der was zu sagen hat: Verso mit „Faire ma vie“.

MUSIK: Faire ma vie / Verso

Mod.: Faire ma Vie, Musik von Elisabeth von Samsonows Tracklist. Die finden Sie genauso wie weiterführende Informationen zu Hadres und Samsonow Lektüre auf oe1.orf.at/diagonal im Netz. Peter Waldenberger erwartet sie schon in Diagonals Feinem Musiksalon und wir verabschieden uns mit dem Abspann zu dieser Sendung.

Sign.:

Mod.: Studiotechnik: Anna Kuncio, Alexander Schenold und Gerald Domjan. Gesprochen haben Michael Köppel, Aimie Rehburg und Ursula Scheidle; mit Beiträgen von Thomas Mießgang, Christine Scheucher und Roman Tschiedl. Regie: Petra Erdmann, Redaktion und Moderation: Ines Mitterer.