EXPO Mailand 2015 – Carlo Petrini

INTERVIEW Carlo Petrini anläßlich der EXPO Mailand 2015

IM: Herr Petrini, Sie waren einer der Väter dieses EXPO Projekts – es ist wohl ein bisschen anders geworden, als Sie es sich vorgestellt haben?

Carlo Petrini : Ja, ja, es ist gaaanz anders geworden. Man hat viel mehr Augenmerk auf die einzelnen Pavillons gelegt, auf den architektonischen Aspekt, als auf das Thema. Und das ist schade. Weil das eine schöne Möglichkeit gewesen wäre, Inhalte zu entwickeln in dieser Welt, deren Lebensmittelpolitik sehr, aber wirklich sehr ungerecht ist. Wenn ich ungerecht sage, dann sage ich, wir haben 850 Millionen unterernährte und eine Milliarde sechshunderttausend überernährte Menschen, die wegen dieser Überernährung an diversen Krankheiten leiden. Die EXPO wäre also eine hervorragende Chance gewesen über Landwirtschaft, über Nachhaltigkeit, über Gerechtigkeit, Kampf gegen den Hunger, Biodiversität und all die Dinge zu reden, die in diesem großen Lunapark kaum bis gar nicht vorkommen.

IM: Dieser Ort scheint wirklich weniger ein Platz für Diskussionen als ein großes Schaufenster für die großen Nahrungsmittelmultis zu sein, die mehr zum Problem als zur Lösung der Schieflage in der Welternährung gehören.

CP: Es besteht kein Zweifel daran, dass 500 Millionen Klein- bis Kleinsterzeuger, also Familienbetriebe die Nahrungsmittelsicherheit für 80% der Menschen garantieren – wo sind die hier vertreten? Gar nicht! Hier sind nur die großen Marken, die multinationalen Konzerne, die Staaten – einige Staaten haben hier Pavillons quasi ohne Inhalt und einige Staaten haben hier Riesenpavillone, die sehr viel gekostet haben, während ihre Bauern daheim unterversorgt sind. Das ist die Wirklichkeit.

IM: Trotzdem haben Sie mit ihrer Slow Food Bewegung beschlossen teilzunehmen, warum? 

CP: Ja, natürlich! Weil mir ein marokkanischer Bauer einmal gesagt hat, ein leerer Sessel nützt niemandem. Wir sind hier präsent, um die Inhalte von Slow Food zu repräsentieren. In einem von diesen Räumen geht es um die Verteidigung der Biodiversität, die Erziehung zur Biodiversität; das hier zeigt die gute alte Tradition des Hausgartens, die es auf der ganzen Welt gibt. Es gibt ein Theater, in dem jeden Tag über unsere Probleme geredet wird. Und dann gibt es einen Teil, wo man Produkte aus einem Sektor kosten kann, der die größte Biodiversität aufweist: Käse. Warum? Weil Käse direkt auf das Futter verweist, auf die Tierrassen, die die Milch produzieren, Kühe, Schafe … Käse zeigt auch die Intelligenz der Hersteller, es gibt also viele Verschiedenheiten, die man kosten kann.

Aber das ist nur ein Ausschnitt, was zählt ist, die Botschaft über die Biodiversitá und den Gemüsegarten.

IM: Unsere Länder, Italien, Österreich sind doch Teil der EU. Aber diese EU scheint kein anderes Anliegen zu haben, als die großen Lebensmittelkonzerne zu unterstützen und damit eben keine Biodiversität und die kleinen Produzenten mit ihren regionalen Eigenheiten zu stören wo es nur geht. Ist das nicht absurd? Ich denke auch, wir schieben die Schuld immer den Politikern zu, aber wir könnten doch auch Politik machen?

CP: Genau, wir müssten unser europäisches Bewußtsein entwickeln. Die Politik schläft. Jetzt diskutiert man ja dieses transatlantische Handelsabkommen TTIP; sollte es tatsächlich dazu kommen, dann bedeutet das das Aus für alle kleinen Lebensmittelproduzenten. Wir müssen uns gegen dieses Abkommen einsetzen und die Besonderheiten, die kleinen Produktionsformen und damit die Würde unserer Bauern verteidigen. Der Reichtum Europas sind nicht McDonalds oder Coca Cola – sie gehören zu einem anderen Verständnis von Kultur; der Reichtum Europas wird bestimmt durch eine große Vielfalt kleiner Wirklichkeiten von den Bergen Österreichs bis zur Po-Ebene, ganz zu schweigen von unseren Meeren, Flüssen, Seen – sie haben zum größten Nahrungsmittelreichtum der Welt geführt. Darauf müssen wir stolz sein und dieses Erbe verteidigen!!

IM: Es ist absurd, die EU sagt, die Konsumenten sind erwachsen und können selbst entscheiden, was sie kaufen wollen, aber den Menschen fehlt es in diesem Bereich doch zum Großteil an Bildung.

CP: Da versagt die Politik!

IM: Seit sie mit ihrer Arbeit begonnen haben, Mitte der 80er Jahre, hat sich seitdem das Bewußtsein für qualitätsvolle Nahrungsmittel verbessert?

CP: Oh ja, sehr sogar! Das Bewußtsein ist gestiegen, die Qualität des Bodens, des Anbaus, hat sich verbessert. Und all das ohne irgendwelche politische oder staatliche Unterstützung! Was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir trotzdem gewinnen können, weil wir den Menschen und ihren Bedürfnissen nahe sind.

IM: Aber, ist das auch mehr als nur eine Lifestyle Mode? Die Reichen, die gut Ausgebildeten in Italien können sich gute Lebensmittel kaufen, die auch einmal ein bisschen teurer sind, glauben Sie, dass diese Slowfood-Bio-Bewegung über dieses kleine Segment der Gesellschaft hinaus bedeutsam sein kann?

CP: Es muss darüber hinausgehen. Und es darf nicht nur ein Privileg der Reichen sein. Alle haben ein Recht auf gute Lebensmittel, auch diejenigen, die nicht über große Einkommen verfügen! Also muss man diese Art von Landwirtschaft fördern. Absurd ist ja, dass die reichen Multis den Armen schlechtes Essen verkaufen und daran verdienen. Die armen Bauern produzieren hochwertige Lebensmittel für die Reichen und verdienen daran so gut wie nichts. Dieses Konzept muss verschwinden: sodass gutes Essen nicht nur für die Reichen produziert wird und man damit wenig verdient, sondern es sollte für alle produziert und gerecht entlohnt werden.

INTERVIEW Carlo Petrini  anlässlich der Weltausstellung in Mailand, Mai 2015

IM: Herr Petrini, Sie waren einer der Väter dieses EXPO Projekts – es ist wohl ein bisschen anders geworden, als Sie es sich vorgestellt haben?

Carlo Petrini : Ja, ja, es ist gaaanz anders geworden. Man hat viel mehr Augenmerk auf die einzelnen Pavillons gelegt, auf den architektonischen Aspekt, als auf das Thema. Und das ist schade. Weil das eine schöne Möglichkeit gewesen wäre, Inhalte zu entwickeln in dieser Welt, deren Lebensmittelpolitik sehr, aber wirklich sehr ungerecht ist. Wenn ich ungerecht sage, dann sage ich, wir haben 850 Millionen unterernährte und eine Milliarde sechshunderttausend überernährte Menschen, die wegen dieser Überernährung an diversen Krankheiten leiden. Die EXPO wäre also eine hervorragende Chance gewesen über Landwirtschaft, über Nachhaltigkeit, über Gerechtigkeit, Kampf gegen den Hunger, Biodiversität und all die Dinge zu reden, die in diesem großen Lunapark kaum bis gar nicht vorkommen.

IM: Dieser Ort scheint wirklich weniger ein Platz für Diskussionen als ein großes Schaufenster für die großen Nahrungsmittelmultis zu sein, die mehr zum Problem als zur Lösung der Schieflage in der Welternährung gehören.

CP: Es besteht kein Zweifel daran, dass 500 Millionen Klein- bis Kleinsterzeuger, also Familienbetriebe die Nahrungsmittelsicherheit für 80% der Menschen garantieren – wo sind die hier vertreten? Gar nicht! Hier sind nur die großen Marken, die multinationalen Konzerne, die Staaten – einige Staaten haben hier Pavillons quasi ohne Inhalt und einige Staaten haben hier Riesenpavillone, die sehr viel gekostet haben, während ihre Bauern daheim unterversorgt sind. Das ist die Wirklichkeit.

IM: Trotzdem haben Sie mit ihrer Slow Food Bewegung beschlossen teilzunehmen, warum? 

CP: Ja, natürlich! Weil mir ein marokkanischer Bauer einmal gesagt hat, ein leerer Sessel nützt niemandem. Wir sind hier präsent, um die Inhalte von Slow Food zu repräsentieren. In einem von diesen Räumen geht es um die Verteidigung der Biodiversität, die Erziehung zur Biodiversität; das hier zeigt die gute alte Tradition des Hausgartens, die es auf der ganzen Welt gibt. Es gibt ein Theater, in dem jeden Tag über unsere Probleme geredet wird. Und dann gibt es einen Teil, wo man Produkte aus einem Sektor kosten kann, der die größte Biodiversität aufweist: Käse. Warum? Weil Käse direkt auf das Futter verweist, auf die Tierrassen, die die Milch produzieren, Kühe, Schafe … Käse zeigt auch die Intelligenz der Hersteller, es gibt also viele Verschiedenheiten, die man kosten kann.

Aber das ist nur ein Ausschnitt, was zählt ist, die Botschaft über die Biodiversitá und den Gemüsegarten.

IM: Unsere Länder, Italien, Österreich sind doch Teil der EU. Aber diese EU scheint kein anderes Anliegen zu haben, als die großen Lebensmittelkonzerne zu unterstützen und damit eben keine Biodiversität und die kleinen Produzenten mit ihren regionalen Eigenheiten zu stören wo es nur geht. Ist das nicht absurd? Ich denke auch, wir schieben die Schuld immer den Politikern zu, aber wir könnten doch auch Politik machen?

CP: Genau, wir müssten unser europäisches Bewußtsein entwickeln. Die Politik schläft. Jetzt diskutiert man ja dieses transatlantische Handelsabkommen TTIP; sollte es tatsächlich dazu kommen, dann bedeutet das das Aus für alle kleinen Lebensmittelproduzenten. Wir müssen uns gegen dieses Abkommen einsetzen und die Besonderheiten, die kleinen Produktionsformen und damit die Würde unserer Bauern verteidigen. Der Reichtum Europas sind nicht McDonalds oder Coca Cola – sie gehören zu einem anderen Verständnis von Kultur; der Reichtum Europas wird bestimmt durch eine große Vielfalt kleiner Wirklichkeiten von den Bergen Österreichs bis zur Po-Ebene, ganz zu schweigen von unseren Meeren, Flüssen, Seen – sie haben zum größten Nahrungsmittelreichtum der Welt geführt. Darauf müssen wir stolz sein und dieses Erbe verteidigen!!

IM: Es ist absurd, die EU sagt, die Konsumenten sind erwachsen und können selbst entscheiden, was sie kaufen wollen, aber den Menschen fehlt es in diesem Bereich doch zum Großteil an Bildung.

CP: Da versagt die Politik!

IM: Seit sie mit ihrer Arbeit begonnen haben, Mitte der 80er Jahre, hat sich seitdem das Bewußtsein für qualitätsvolle Nahrungsmittel verbessert?

CP: Oh ja, sehr sogar! Das Bewußtsein ist gestiegen, die Qualität des Bodens, des Anbaus, hat sich verbessert. Und all das ohne irgendwelche politische oder staatliche Unterstützung! Was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir trotzdem gewinnen können, weil wir den Menschen und ihren Bedürfnissen nahe sind.

IM: Aber, ist das auch mehr als nur eine Lifestyle Mode? Die Reichen, die gut Ausgebildeten in Italien können sich gute Lebensmittel kaufen, die auch einmal ein bisschen teurer sind, glauben Sie, dass diese Slowfood-Bio-Bewegung über dieses kleine Segment der Gesellschaft hinaus bedeutsam sein kann?

CP: Es muss darüber hinausgehen. Und es darf nicht nur ein Privileg der Reichen sein. Alle haben ein Recht auf gute Lebensmittel, auch diejenigen, die nicht über große Einkommen verfügen! Also muss man diese Art von Landwirtschaft fördern. Absurd ist ja, dass die reichen Multis den Armen schlechtes Essen verkaufen und daran verdienen. Die armen Bauern produzieren hochwertige Lebensmittel für die Reichen und verdienen daran so gut wie nichts. Dieses Konzept muss verschwinden: sodass gutes Essen nicht nur für die Reichen produziert wird und man damit wenig verdient, sondern es sollte für alle produziert und gerecht entlohnt werden.