In der Hängematte den Amazonas entlang – eine Bootsfahrt am Zusammenfluss von Rio Solimões und Rio Negro

Zwei Leben würden nicht ausreichen, um die Flüsse des Amazonasbeckens in Brasilien abzufahren, sagen die alten, erfahrenen Bootsführer, die sich im größten und wasserreichsten Flusssystem der Erde auskennen. Aber schon ein kurzes Eintauchen in diese Welt zwischen Wasser und Wald, rund um das legendäre Manaus mit seinem prachtvollen Opernhaus, macht staunen: Über den Zusammenfluss der zwei Flussgiganten Rio Solimões und Rio Negro, die sich unterhalb von Manaus zum Amazonas vereinigen – braun der eine, schwarz der andere – brauchen sie mehrere Kilometer, um sich zu vermischen. Über rosa Delphine und Babykaimane, Riesenseerosen und Piranhas im Suppentopf oder Indio-Dörfer, die Vertriebene aus der ganzen Region aufnehmen und zum lebendigen kulturellen Archiv werden. Die Stimmung, die einen bei gewaltigen Wolkenbrüchen oder stillen Sonnuntergängen am Fluss mitten im Regenwald überkommt, ist jener auf hohen Bergen, unter nächtlichem Sternenhimmel oder in der Wüste vergleichbar: hier ist etwas größer als man selbst.

Diagonal über Milo Rau und Zeitgenoss/innen. Bühne und Aktivismus

Er will kein „Klassiker Karaoke“ auf der Bühne. Heißt soviel wie: Texte nachsprechen lassen, die andere vor Jahren oder Jahrhunderten geschrieben haben. Trotzdem beziehen sich seine Arbeiten manchmal auf antike Tragödien: „Orest in Mossul“. „Antigone im Amazonas“. Die Dramen der Menschheit verändern sich nicht. Die Form, sie auf die Bühne zu bringen, schon. Der Schweizer Theater- und Filmemacher Milo Rau und seine Truppe vom NTGent haben es in ihr Manifest geschrieben: einmal im Jahr muss man in einer Gegend arbeiten, wo es Krieg, Katastrophen, massive Menschenrechtsverletzungen gibt, sonst weiß man nicht, wovon man spricht auf der Bühne, im Film.

Wiens wilder Wasserwald. Diagonal zum Thema: Lobau

Seeadler, Eisvogel, Biber oder Wildschwein sind nur einige Vertreter der 30 Säugetier- und 100 Brutvogelarten, 8 Reptilien- und 13 Amphibien- sowie 60 Fischarten, die in diesem Wasserwald im Osten von Wien beheimatet sind. Die Lobau macht ein Viertel des Nationalpark Donauauen aus, der wiederum zu den letzten großen Aulandschaften Mitteleuropas gehört. Bekannt ist die Gegend an der Donau aber auch als beliebter Aufenthaltsort für die zweibeinige Spezies, die sich hier gern naturnah, also hüllenlos, am größten Nacktbadestrand der Region als die „Nackerten von Wien“ präsentiert. Ein Naturschutzgebiet, das trotz Schutzstellung gefährdet ist. Die drohende Austrocknung durch den Klimawandel und ein geplanter Autobahntunnel, der unter dem riesigen Feuchtgebiet durchgestochen werden soll, bereiten vielen „Lobauisten“ Sorge. „No-Bau“ in der „Lobau“ fordern die Gegner der Autobahn und haben mit dem Einbringen einer Revision beim Bundesverwaltungsgericht gerade wieder die Verschiebung des Baubeginns, geplant für 2020, erwirkt. Im Laufe der Jahrhunderte war dieser Dschungel von Wien Refugium für all jene, die das System nicht brauchte, schreibt der Historiker Fritz Keller: Räuberbanden im Mittelalter, Arbeitslose in der Zwischenkriegszeit, Sozialisten und Schutzbündler im Ständestaat, flüchtige Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg, rechte Politsekten. Und zivilisationsmüde Naturfreunde, die hierherkamen, als Nacktbaden noch streng verboten war. Eine wilde Mischung.

Elastisch wie ein Gummiband – Diagonal zum Thema Resilienz

In der Welt der Ratgeber und ihrer Literatur ist „Resilienz“ das Wort der Stunde. Wer möchte auch nicht lernen, dramatische Lebensumstände möglichst unbeschadet zu überstehen und vielleicht auch noch Stärke daraus zu gewinnen? Doch, so einfach ist das nicht. Resilienz war, bevor der Begriff Eingang in alle möglichen wissenschaftlichen Fachrichtungen genommen hat, eine Eigenschaftszuschreibung aus der Materialforschung: demnach hat ein Stoff eine hohe Resilienz, wenn er nach extremer Beanspruchung wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet – wie ein Gummiband eben. Dann haben sich Psychologie, Städtebau, Ökologie und Ökonomie den Begriff geschnappt und versuchen, damit festzustellen, unter welchen Umständen Menschen oder Städte eine Katastrophe besser überstehen als andere oder wie lange das Klima oder die Wirtschaft einer außergewöhnlichen Belastung standhalten, bevor sie crashen. Interessanterweise, und das kann jetzt schon verraten werden, gelingt die Erholung nie ohne: Transparenz in der Kommunikation und dadurch die Möglichkeit, genau hinzuschauen, auch, wenn es weh tut; Spielraum und Reserven – ein rares Gut in Zeiten des Turbokapitalismus – und Gemeinschaft. Alleine geht es nicht, ob beim Überwinden psychischer Traumata oder nach der Naturkatastrophe in New Orleans. Das Versprechen der Resilienz-Ratgeber-Literatur also, wonach man sein Ich ganz für sich allein zum Gummiband trainieren kann, ist Makulatur. Und so ist der Frühsommer 2020 wohl ein guter Moment, um über Verbündete nachzudenken.

Stadtportrait Bonn

Kleine Stadt, großer Geist – zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven
mit Christian Scheib und Peter Waldenberger

Im Jahr 1989 feierte Bonn seinen 2000. Geburtstag. Die Stadt erinnerte damit an die Errichtung eines ersten befestigten römischen Lagers am Rhein. Ein Jahr später verlor die 300.000 Einwohnerinnen zählende Stadt ihren Status als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland an Berlin. „In Bonn kommt das Gute stets von oben“ lautet ein neckischer Stadtspruch.

Doch das kleine Bonn hat sich wortwörtlich „behauptet“. Hier sitzen nicht nur viele Bundesbehörden und Ministerien, die UNO und börsennotierte Konzerne wie die Deutsche Post. Auch großdimensionierte und kostspielige Museen, Opern- und Festspielhäuser sind der Stadt aus der Zeit als Regierungssitz geblieben, so wie ein zarter Hauch von Weltgewandtheit.

Panther, Brillen, Pussyhats – Zum Thema Rosa

Rosa hatte in feministischen Kreisen lange ein Image-Problem. Denn, was assoziiert man gemeinhin mit dieser Farbe? Barbiepuppen, Mädchenrüschenkleider, Prinzessin Lillifee – die sanfte naive Weiblichkeit. Doch dann kamen die Girls der jüngsten Generation und machten die Farbe ihrer Kinderzimmer zum Symbol ihres Widerstandes. „Rosa kann jetzt Feminismus“ – titelten deutsche Zeitungen und in den USA gingen tausende Frauen mit rosa Wollmützen, den „Pussyhats“ in Protestmärschen gegen Trump auf die Straße. Früher war ja alles anders. Wenn ein Baby vor 100 Jahren rosa angezogen war, dann war es ein Bub. Rosa ist das „kleine Rot“ und Rot wurde mit Leidenschaft, Blut, aktivem Eros und Kampf assoziiert – also männlich. Blau hingegen, als Farbe der Madonna, gehörte den Frauen. Mädchen trugen das „kleine Blau“, also hellblau. Erst nach dem ersten Weltkrieg wurde die Farbe Blau zum Symbol für die Arbeits- und Männerwelt, wegen des Blaumanns, des blauen Arbeitsanzugs, wegen der Uniformen. Die Farbe als Symbol hält zwar länger als der letzte Modeschrei, aber offenbar nicht ewig. Dem Schwein ist das egal und der rosarote Panther genießt schlacksig sein androgynes Image. Diagonal über eine Farbe der vielfachen Zuschreibungen, Umschreibungen und Variationen, die grundsätzlich eher Positives und Helles verspricht – der dazugehörigen Brille sei Dank.

Stadtportrait Manaus

Eine Sendung von Ines Mitterer, Ulla Ebner und Peter Waldenberger

In den letzten Monaten ist die Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas wieder in den Nachrichten. Bewusst gelegte Brände bedrohen die grüne Lunge dieser Erde und die zumeist indigene Bevölkerung, die dort lebt. Der amtierende Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro selbst ermutigt zu Brandrodungen, um Flächen für die Wirtschaft zu gewinnen. Wenn der Amazonas der Körper ist, von dessen Gesundheit weltweit viel abhängt, dann ist Manaus jener Ort, an dem man diesem Körper den Puls messen kann. Nach wie vor ist die Stadt nur über Wasser oder Luft zu erreichen. Knapp mehr als zwei Millionen Einwohner, unwirtliches Klima, viel zu heiß, viel zu feucht, zieht Manaus nicht unbedingt Scharen von Menschen an – weder Touristen noch Migranten.

Caravaggio & Bernini rocken Rom

Was die beiden verbindet, ist eine neue Aufmerksamkeit für die wirklichkeitsnahe Naturdarstellung und für das Pathos großer Gefühle. Denn menschliche Regungen in Kunst zu übersetzen wurde erst im Barock entdeckt.

Dramatik & Leidenschaft, Exzentrik & ganz große Emotionen verstehen die beiden weltberühmten Protagonisten trefflich in Szene zu setzen. Caravaggio und Bernini sorgten mit ihrer neuartigen Ausdrucksweise ebenso wie mit ihrem unkonventionellen Lebensstil in Rom für Furore.

„Muh!“ – Diagonal zum Thema Kuh

Wanderern oder Rindviechern – wem gehört die Alm? Was ist es mehr, das Rindvieh: Klimakiller oder Nahrungsgrundlage? Welche Kuh traf Ötzi beim Herumwandern in den Alpen? Warum nannten die alten Griechen ihre Muttergöttin Hera „kuhäugig“ und meinten das als Kompliment? Wie viele Liter Speichel produziert ein Rindvieh am Tag? Warum gäbe es heute ohne Sikhs keinen Parmesan? Haben Kühe Höhenangst? Welcher deutsche Dichter hat ein Sonett über eine scheißende Kuh verfasst? Was passiert mit alten Kühen unter einer ultrareligiösen Hinduregierung – und warum gibt es deshalb mehr Rindfleisch auf den Tischen in Bangladesh? Klandestine Kuhmigration? Wie sprechen die Kühe in Finnland? Und: Wer könnte diesem Augenaufschlag widerstehen? Seit 10.000 Jahren ist sie unsere Lebensabschnittspartnerin und übrigens alles, nur nicht dumm! Was Sie schon immer über die Kuh wissen wollten und nicht zu fragen wagten – an diesem Samstag erfahren Sie (fast) alles.