Kleidung, Körper, Kapital – Diagonal zum Thema Mode

Das schönste Gewerbe der Welt betrifft all unsere Lebensbereiche und ist deshalb mehr als nur der fesche äußere Schein. Kleidung spricht, erzählt von sozialen Bedingungen, wirtschaftlichen Nöten, handwerklichem Können, philosophischen Prinzipien, Genderdefinitionen, Arbeit, Pop und ästhetischen Entscheidungen. Und selbst, wenn jemand beschließt, Kleidung sei nicht so wichtig, ist das eine Aussage. Glitzer und Glamour auf der einen Seite, Ausbeutung von Arbeiter:innen, Verbrennen von Ressourcen auf der anderen Seite.

Gehen, wandern, flanieren – Diagonal zum Thema Herumstreifen

… möglichst ziellos, als Flâneuse oder Müßiggänger, dabei Gedanken aufkommen lassen, weiterspinnen, verwerfen: Welches Potential das Gehen hat, haben, wie so vieles, schon die alten Griechen erkannt. Aristoteles pflegte das Denken beim Gehen gern in seiner so genannten Peripatetischen Schule (von Peripatos, der Wandelhalle), da gab es immer wieder die Gelegenheit, „am Weg“ neue Ideen aufklauben zu können, oder alte Gedanken mit Sauerstoff anzureichern. Aber gibt es das überhaupt noch in dieser schnellen, gern maschinenbetriebenen Fortbewegungswelt des 21. Jahrhunderts? Oh ja, und die Sehnsucht danach ist groß. Das zeigen viele neue Publikationen, die zum Gehen auffordern, in Gummistiefeln oder Wanderboots, barfuß oder in Flipflops, allein oder in der Gruppe. Dabei geht es um Gesundheit, Neugierde und Aufbruch, eben neue Pfade zu finden und Wege, die im Gehen entstehen bzw. alte, im Alltag eingetretene Spuren zu verlassen.

Funkhaus – Argentinierstraße 30a, 1040 Wien Diagonal Spezial – Zum Thema: Funkhaus – Argentinierstraße 30a

Das Wiener Funkhaus gehört gefeiert. Am 2. Juli 2022 ehrt Ö1 von früh morgens bis spät nachts sein legendäres Produktions-Gehäuse in der Argentinierstraße 30a – diese Adresse kennt man in ganz Österreich. An diesem kulturellen Kraftort wurden 55 Jahre lang gesellschaftliche Impulse gesetzt und versendet. Doch Europas erfolgreichster Kultursender verlässt im August sein geschichtsträchtiges Haus. Es geht in Richtung Hietzing, an einen neuen Standort auf dem ORF Medien Campus am Küniglberg.

Ideen für eine erschöpfte Welt. Donna Haraway und die Kunst

Die Biologin Donna Haraway ist eine der einflussreichsten Denkerinnen in der Kunstwelt. Sie inspiriert zahllose Künstlerinnen und Künstler. Pedro Wirz ist einer davon. Seine Forschungen zum besseren Weiterleben auf diesem beschädigten Planeten, in engem Austausch mit der Natur, ohne die Technologie zu verteufeln, finden relevante Wegweiser in Haraways Büchern.
Donna Haraway brütet schon seit den 1980er Jahren darüber, wie eine gerechte Welt ausschauen könnte, die Menschen, Tieren und Pflanzen Rechte einräumt, auf der man Technologie mit indigenem Wissen zu verbinden weiß, Verantwortung übernimmt, sich kümmert, ohne Hierarchien.
Der Planet ist beschädigt, schauen wir hin und machen das Beste daraus, ist Haraways Credo. Wir sollten uns weder der zynischen bis apokalyptischen Da-ist-eh-nichts-mehr-zu-machen-Einstellung hingeben, noch dem Glauben, Technologie alleine würde diese Welt retten.

Zur Person: Günther Domenig – Architektur ist Widerstand

Im Sommer 2022 widmet sich ein umfangreiches Forschungs- und Ausstellungsprojekt an vier verschiedenen Orten in Kärnten dem aussergewöhnlichen Werk des Architekten Günther Domenig (1934-2012) und unterzieht seine ikonischen Bauwerke einer Revision.

Caetano Veloso & Gilberto Gil: Brasiliens Superhelden

Caetano Veloso & Gilberto Gil: Brasiliens Superhelden feiern 80. Geburtstag

Beide sind für Rekorde gut: allein Caetano Veloso für elf Latin Grammys und knapp sechs Dutzend Alben, etliche davon mit Gold, Platin und Diamant gekrönt. Gilberto Gil, mit kaum weniger Alben, wurde als erstem Lateinamerikaner der „Nobelpreis“ der Musik verliehen, der Polar Music Prize. Die Kreativität und künstlerische Bedeutung beider Komponisten, Dichter, Sänger und Gitarristen lassen sich dagegen nicht in Zahlen und Rekorden messen.

Ai WeiWei über Macht und Ohnmacht

In den vergangenen Wochen sind viele Künstler aufgefordert worden, sich politisch zu positionieren. Bei ihm besteht kein Zweifel, wo er steht: Ai Weiwei bezieht Stellung – und zwar immer. Er verdammt öffentlich Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, verurteilt die Flüchtlingspolitik der EU und benennt die Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat China. Sogar ins Gefängnis ist er für seine Überzeugungen gegangen, doch gebrochen hat ihn das nicht.
Ai Weiwei ist heute Chinas führender Dissident und Künstler, seine Kunstwerke sind mächtige Symbole, die ein breites Publikum ansprechen und immer wieder für Kontroversen sorgen. Die Wiener Albertina Modern zeigt jetzt eine umfassende Retrospektive seiner Arbeiten: Skulpturen, Filme und Installationen.

Radikaler Freibeuter. Zum 100. Geburtstag von Pier Paolo Pasolini.

Zu Pasolini haben in Italien alle eine Meinung. Zumindest jene, die länger auf der Welt sind als die Millennials. Für die einen ist der 1975 in Ostia ermordet aufgefundene P.P.P. unantastbarer moralischer Kompass. Für die anderen ist er der Teufel in Person – radikal, anti-kapitalistisch, links und homosexuell. Mehr als 30 Jahre lang hat Pasolini als widerständiger Filmemacher, Schriftsteller und Intellektueller die Debatten des Landes beherrscht. Fast täglich wurde er dafür angegriffen und beleidigt, aber auch wie ein heiliges Orakel befragt. Pasolini sah sich als gesetzloser Denker, der vor keinem Tabu zurückschreckt, als Freibeuter – seine berühmte Gedankensammlung nannte er „Freibeuterschriften“. Darin polemisierte er gegen die Konsumgesellschaft und jene, die sie propagierten. Was sich damals abzeichnete, spitzt sich aktuell zu: die Allgegenwart eines neoliberalen und autoritären Kapitalismus, der sich als demokratisch tarnt, aber das Eigenartige nivelliert und das Einzelne zerstört. Pasolini gilt als pessimistischer Prophet, der viele rund um Konsumismus und Umweltzerstörung, Rassismus, Genderfragen und Migration in Gang gesetzt hat. Anfang der 1960er Jahre setzt er seine fundamentale Gesellschaftskritik in politisch-poetische Filmarbeit um.

Zur Person: Ai Weiwei

Wer läßt 100 Millionen handbemalte Porzellansonnenblumenkerne in die Tate Modern kippen? Wer holt 1.001 Chinesen nach Kassel, damit die Documenta-Besucher ihnen dort beim Leben zuschauen können? Wer läßt wertvollste antike chinesische Vasen einfach fallen und zerspringen in tausende Scherben?

Ai Weiwei macht es, 64 Jahre alt und noch immer der berühmteste Künstler Chinas. Auch wenn die chinesischen Behörden und Medien versuchen den Regimekritiker totzuschweigen. Vor zehn Jahren saß Ai Weiwei in seiner Ex-Heimat China in Haft, weil er sich immer wieder für Meinungsfreiheit und Menschenrechte eingesetzt hatte. Über die Zeit der politischen Verfolgung, seine Kindheit unter Mao Zedong, seine Jahre in der New Yorker Kunstszene und über seinen Vater hat er vor kurzem in seiner Autobiographie „1000 Jahre Freud und Leid“ erzählt und damit auch Zeit- und Kunstgeschichte geschrieben. So populär wie umstritten setzt sich Ai Weiwei in seiner Kunst mit Überwachung, Zensur, Menschenrechten, Meinungsfreiheit, Menschenvertreibung, radikaler Verantwortung, der Macht der Schönheit oder der Wahrheit der Poesie auseinander. In Diagonal haben wir Ai Weiwei schon einmal portraitiert und ihn damals noch in seinem Atelier am Stadtrand von Peking besucht. Heute lebt er nach Berlin und Cambridge in Portugal, wo wir ihn zum neuerlichen Interview treffen. Bevor ihm die Albertina Modern in Wien im März 2022 die umfassendste Ausstellung ausrichtet, die es je mit seiner Laufbahn gegeben hat, legen wir verschiedene Steinchen aus Vergangenheit und Gegenwart zu einem akustischen Mosaik.