Zur Person Friedensreich Hundertwasser

Eine Sendung von Anna Soucek und Ines Mitterer

08.02.2025

ANFANG: SIGNATION + ATMO + MUSIK (Jean et Paul/Piazzola/soloing Emmanuel SÉJOURNÉ & Sylvie REYNAERT PercuFest 2014) + 2 OTs

Mod.: Immer im Proklamationsmodus, jede Äusserung ein Manifest!

Was da so klingt, als wäre es die Forderung der Stunde angesichts von Stadt- und Erderwärmung oder allumfassender Bodenversiegelung ist 50 Jahre alt. Und eingemahnt von einem, der gleichermaßen populär wie verschmäht ist. Kitschpapst für die einen, Ökoprophet für die anderen. Friedensreich Hundertwasser hatte mehr zu bieten als goldene Zwiebeltürmchen und „verschönerte“ Müllverbrennungsanlagen. Ein facettenreicher Künstler, so österreichisch – man denke nur an den „Taferlstreit“, bei dem es darum ging, die österreichische Identität im Autokennzeichen zu verteidigen – wie international: Hundertwassers Spuren ziehen sich über den Globus bis nach Neuseeland.

ATMO: Meeresrauschen

Mod.: Wohin er damals in den 1970er Jahren hingesegelt ist, mit seinem eigenen Schiff, der Regentag. Sie liegt heute, grundrenoviert vor Anker im Hafen von Tulln….

OT Schamoni Regentag

Mod.: sagt Hundertwasser in einem Filmportrait von Peter Schamoni aus den 70er Jahren. Die Regentag war nicht nur Verkehrsmittel, für viele Jahre hat er auf dem Schiff gewohnt und gearbeitet. Gestorben ist er dann auch auf dem Wasser: Vor 25 Jahren im Februar 2000 auf der Queen Elisabeth 2 auf dem Weg von seiner Wahlheimat Neuseeland in seine alte Heimat Österreich. Wie es bei ihm so üblich war, haben wir Bausteinchen gesammelt für diese Sendung, alles, was uns interessant, schön und bemerkenswert vorgekommen ist, einiges, was uns ganz natürlich zugewachsen ist. Ein Hundertwasserkalaidoskop für die Ohren.

MK: Zur Person Friedensreich Hundertwasser – Alles unter einer Kappe!

Eine Sendung von Anna Soucek und Ines Mitterer

Mod.: samt Beiträgen von Nicole Dietrich, Erich Klein und Kaspar Arens. Und während wir dabei waren, uns über den so streitbaren wie umstrittenen Hundertwasser zum 25. Todestag so unsere Gedanken zu machen und bei Architekten, Künstlerinnen und Lebensbegleitern nach seinem geistigen Erbe zu fragen, erreicht unsere Kollegin Nicole Dietrich eine Flaschenpost aus Neuseeland! Unterzeichnet ist das Dokument von einem gewissen Julian Bishop in Klammern: ein in Wellington lebender und segelnder Künstler und Designer.

BEITRAG: Flaschenpost / Nicole Dietrich​​​​​​5.55

MUSIK: Fat Freddys Drop / Avengers (Album: Slo-Mo) Vorl. 0.50

Drüber: MK: Diagonal heute: Titel

Drüber: Mod.: Womit wir dieses Pferd von hinten aufgezäumt hätten, von Neuseeland aus. Und dort bleiben wir jetzt noch ein wenig, um diese Musik weiter anzuhören. Sie kommt von den in Neuseeland sehr populären Fat Freddys Drop:

MUSIK hoch: Fat Freddys Drop

Mod.: Fat Freddys Drop mit “Avengers”. Das kann man als Rächer“ übersetzen, aber Avenger ist auch eine Schiffsklasse – beides passt zum Gegenstand unserer Betrachtungen heute: Friedensreich Hundertwasser!

Ein Künstler der ebenso begeistert, wie er polarisiert. Scharen pilgern nach wie vor zu seinen Gebäuden, vor allem dem Hundertwasserhaus in Wien oder den Hundertwasser Toiletten in Kawakawa in Neuseeland – eine Umfrage soll ergeben haben: unter internationalen Touristen ist das „bunte Haus“ viel bekannter als die Wahrzeichen Stephansdom oder Riesenrad. In bürgerlichen Haushalten im Süden oder Norden Amerikas habe ich immer wieder Drucke seiner farbenfrohen Bilder mit den Spiralen, den metallisch glänzenden Zwiebeltürmen, den Bäumen und mandelförmigen Augenpaaren an den Wänden gesehen. Hundertwasser liegt da in der Beliebtheit gleich auf mit Klimt und Schiele, Sissi und Mozartkugeln.

Leute vom Fach hingegen, Künstlerinnen, Kuratoren, Architekten rümpfen oft die Nase, bei den kurvigen Fassaden, den lustigen Türmchen und den farbigen Flecken. Nur eines ist unumstritten:

Hundertwassers ökologisches Engagement ab den 1950er Jahren, lange vor den großen Ökobewegungen, war visionär – und ist jetzt 25 Jahre nach seinem Tod „brandaktuell“ könnte man sagen.

Zitat HUWA Kunst – verantwortlich leben Kreativ und schöpferisch sein heißt frei sein und sich selbst verwirklichen im Einklang mit der Natur. Kunst bedeutet, verantwortlich leben. Man will aber den Künstler so sehen, wie man ihn haben will: schöngeistig, Angenehmes produzierend, der Obrigkeit genehm und bequem, oder aber konform den politischen oder sonstigen Dogmen à la mode. Der Künstler hat aber gegenüber der Gesellschaft, in der er lebt, seine Pflicht zu erfüllen – als Warnender und Ausweg Suchender – auch wenn es im Moment mißverstanden wird. Nur wer nach den Gesetzen der Pflanzen und der Vegetation handelt, kann nicht fehlgehen. Einen Baum schneidet man in fünf Minuten um. Er braucht aber viele Jahre, um so groß zu werden. Das ist zum Beispiel der Gegensatz zwischen technokratischer Zerstörung und ökologischem Aufbau.

Mod.: Begrünte Fassaden, Bäume auf den Dächern, Gebäude, die unter begrünten Hügeln verschwinden – Hundertwassers Vision vom Zusammenleben von Architektur und Natur auch in den Städten wird heute punktuell eingelöst. Der Bosco Verticale, der vertikale Wald des italienischen Architekten Stefano Boeri, ein rundherum grünes Hochhaus mitten in Mailand ist eines der glamourösen Beispiele. Ein anderes auch international viel beachtetes Beispiel ist das IKEA-Gebäude am Wiener Westbahnhof. Es wurde von querkraft Architekten geplant und mit 160 Bäumen bestückt, auf dem und rund um das Gebäude.

OT Gerd Erhartt 1

Mod.: Gerd Erhartt von querkraft:

OT Gerd Erhartt 2 + OT Uta Belina Waeger 1

Mod.: Uta Belina Waeger ist Künstlerin und kommt aus einer vorarlberger Architektenfamilie.

OT Uta Belina Waeger 2 + OT Markus Jeschaunig von Breathe Earth Collective 1

Mod.: Markus Jeschaunig gehört zum Breathe Earth Collective, das unter anderem für die Klimabiennale in Wien 2024 die Festivalzentrale, einen Pavillon, gebaut hat.

OT Markus Jeschaunig von Breathe Earth Collective 2 + Zitat Fleck Vorreiter: Friedensreich Hundertwasser ist ein wichtiger Vorläufer. Wie kein anderer international bedeutender Künstler praktizierte er eine gänzliche Fusion von Kunst und Ökologie. Als die ökologische Bewegung noch meinte, den Meinungsstreit so beeinflussen zu können, dass es nicht zur Notlage kommen würde, in der wir heute stehen, malte er, als Mahner und Prophet auftretend, die Gefährdung des Planeten als unausweichlich an die Wand, falls es keine „Kehrtwende“ gäbe.

Mod.: Robert Fleck, Kunsthistoriker und Professor an der Akademie in Düsseldorf, sitzt im Rektorzimmer, in dem von Joseph Beuys noch eine Fettecke an der Wand klebt und wird nicht müde, Friedensreich Hundertwassers Bedeutung zu betonen. Was wenige wissen und Hundertwasser selbst auch gar nicht so ventiliert hat: 20 Jahre bevor Joseph Beuys mit großem Mediengebrumme seine 7000 Eichen zur documenta in Kassel gepflanzt hat, hat Hundertwasser einer Brache in der Normandie einen Wald geschenkt. Robert Fleck:

OT Fleck: Hundertwasser hat das seit 1950 in Paris gelebt, weitgehend, und hatte dann 1957 bei seiner Einzelausstellung bei Richtig verkauft. Zum ersten Mal. Also das war damals ja bescheiden. Und er hat dann in der Normandie, das heißt eigentlich eineinhalb Fahrstunden von Paris entfernt, hat er sich einen winzigen Bauernhof gekauft, ohne Wasserleitung, ohne Strom, und hat dort angefangen, Bäume zu pflanzen. Und dann haben wir Nachbarn erzählt, dass die Bauern um sich gesagt haben Da ist ein Verrückter, ein Maler aus Paris, und der pflanzt Bäume, während wir die Bäume alle wegschneiden, damit wir da waren und Anbaufläche haben. Und er ist dann aber von Familie zu Familie gegangen, von Bauernhof zu Bauernhof, und hat allen erklärt, dass das wichtig ist. Er schafft da jetzt ein Biotop und das ist für das Klima dort in der ganzen Gegend jetzt richtig wichtig. Und das hat schon etwas sehr, sehr Faszinierendes, auch in dem Sinn, die. Also wenn man jetzt zu dieser jüngeren Generation gibt, die das ja sozusagen wo viele Künstlerinnen und Künstler sehr Klima bewusst sind die haben sehr oft natürlich mit Hundertwasser die Kunst kennengelernt In der Volksschule, also in Nordrhein Westfalen, ist ein Hundertwasser ein Unterrichtsgegenstand in der Volksschule.

Mod.: Als Baumpflanzer, -Retter und -Bewahrer ist Hundertwasser Zeit seines Lebens aufgetreten: hat im Waldviertel Bauern Bäume abgekauf, sobald er irgendwo eine Motorsäge gehört hat. Auf der Giudecca in Venedig sieht man ihn im Filmportrait von Peter Schamoni verletzte Bäume verarzten – später kaufte er sich da ein Grundstück mit Villa, größer als der Markusplatz betonte er gerne, um den großen Park rundherum verwildern zu lassen. Der Giardino Eden, verwaltet von der Hundertwasser gemeinnützigen Stiftung, darf da bis heute unbehelligt von Menschen, auch von Besuchern, vor sich hinwuchern. Und dann gab es da noch das ehrgeizige Aufforstungsprojekt im Norden Neuseelands. Hundertwasser kaufte da zwei Farmen zu je 200 Hektar, die zum Großteil abgeholzt waren. Robert Fleck war dort:

ATMO: Wald

Zitat Fleck: Bäume pflanzen Neuseeland Er pflanzte nach und nach insgesamt 100.000 Bäume in abgestimmten Biotopen aus Baumarten aller Kontinente. Dieser Neo-Urwald steht so dicht, dass er vor menschlichen Eindringlingen geschützt ist. Sich dort aufzuhalten, ist sehr beeindruckend, da man keinen Kontakt mit der Zivilisation hat. Es gibt kein mechanisches Geräusch und lediglich die selbstgenügsame Vegetation. Im Zentrum des Biotops steht eine Verschränkung von Süßwasser, Salzwasser und Vegetation. Die vier kleinen Behausungen, die der Künstler bei seinen Aufenthalten in Kaurinui Valley benützte, weisen auf den Flachdächern mehr als einen Meter dicken Humus mit frei wachsender Vegetation auf. Dies funktioniert wie eine Klimaanlage, die keine Maschine ist und keinen Strom verbraucht. Es ist der wärmste Teil des Landes, der den anderen Kontinenten des Planeten am nächsten liegt, direkt an der immensen Wasserfläche des pazifischen Ozeans. Nach der Regel, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in einem Teil der Erde klimatische Effekte in anderen Erdteilen auslösen kann, repariert dieser Neo-Urwald auf 400 Hektar auf seine Weise das Weltklima.

Mod.: Wie es klingt, wenn Chet Baker mit den Bäumen spricht? So! I talk to the trees.

MUSIK: Chet Baker / I talk to the Trees

Mod.: Diagonal heute zur Person Hundertwasser – alles unter einer Kappe. So ein vehementes Eintreten für die Belange der Natur erfordert – wenn man es ernst nimmt – einen bescheidenen Lebensstil. Den musste sich der 1928 als Friedrich Stowasser in Wien geborene Künstler nicht antrainieren. Das ist früh aufgefallen, erinnert sich John Sailer, Gründer der Galerie Ulysses, die  in ihrem Programm vor allem die Zöglinge von Monsignore Otto Mauer von der Galerie nächst Stephan gehabt hat, also Rainer, Prachensky, Hollegha und Mikl, aber eben auch Hundertwasser, der ja weder zu den neuen Abstrakten noch zu der populären Wiener Schule des Phantastischen Realismus gehört hat.

OT John Sailer über asketisches Leben

Mod.: Ein Asket, ein Eigenbrötler mit Mission, sagt die ehemalige langjährige Mitarbeiterin Hundertwassers Veni Inge Labi:

OT Veni Inge Labi über Menschheit retten

Mod.: Wie war es dazu gekommen? Erich Klein erforscht Hundertwassers Kindheit und Jugend.

BEITRAG: Der junge Hundertwasser / Klein​​​​​​​11.25

MUSIK: La mer / Charles Trenet​​​​​​​​3.25

Mod.: Charles Trenet und „La mer“. Frankreich und das Meer – beides spielte im Leben von Friedensreich Hundertwasser eine große Rolle. Wenn er in Paris war, besuchte er oft die Künstlerin Ida Szigethy – aus einem Treffen in Wien war eine lebenslange Künstlerfreundschaft geworden, mit großer gegenseitiger Wertschätzung. Sogar ein Bild von ihr habe er gekauft, erzählt sie in ihrem Wohnzimmer-atelier im 9. Bezirk in Wien, wo sie jetzt nach jahrzehntelangen Aufenthalten im Ausland lebt: das sei nicht oft vorgekommen.

BEITRAG: Szigethy 1 ​​​​​​​​​5.36

Mod.: La mer – hat den Binnenländer Hundertwasser immer schon angezogen. Inzwischen in die Küche umgesiedelt, zeigt Ida Szigethy, die mit ihm eine lange, sehr wertschätzende Freundschaft verband, auf einen großen Hundertwasser Druck: eines der Plakate für die Olympischen Spiele in München  1972: im roten Rand Reihen von Gesichtern, Augen, Mündern, die eine Art Spielfeld umfassen, in blau, darin tummeln sich angedeutete Läufer mit quadratischen Köpfen, unter der Mitte links gibt es noch grüne Zwiebeltürmchen…. Auf einer Internetplattform kann man ein ähnliches Originalplakat gerade um 1.850 Euro erstehen.

BEITRAG: Szigethy 2​​​​​​​​​4.10

MUSIK: Alabaster Deplume / Is it enough (Album: The corner of a sphere)

Mod.: Alabaster Deplume fragen sich, ob es genug sei, was sie da tun. Is it enough? Vom Album „The corner of a sphere” – die Ecke einer Kugel. Ecken zu runden Formen umzubiegen, das hat Friedensreich Hundertwasser gefallen. Und, was er später dann tatsächlich als Bauten nach seinen Vorstellungen in die Welt setzen konnte, war anfangs nur in der Malerei möglich: keine gerade Linie, farbenfrohe Wände, buckeliger Boden, metallisch glänzende Zwiebeltürme und viel viel Grün.

Zitat: vegetative Malerei Was braucht ein Mensch, um glücklich zu sein • Fortschritt ist Rückschritt, und der Rückschritt wird zum Fortschritt • Meine Malerei ist, glaube ich, deshalb völlig anders, weil es eine vegetative Malerei ist Ein Grund, warum die anderen Leute nicht vegetativ malen wollen oder eine vegetative Lebenshaltung einschlagen wollen, ist, weil sie zu unscheinbar beginnt, weil sie keinen Eclat hat und keinen Paukenschlag, sondern weil sie ganz langsam und unscheinbar eben wächst, und das entspricht nicht unserer Gesellschaftsordnung, man will sofortige Leistung, die auf Raubbau beruht • Ich möchte, das mache ich auch ganz instinktiv, vorleben, den Menschen vorleben, vormalen ein Paradies, das jeder haben kann, er braucht nur zuzugreifen • Das Paradies ist ja da, Wir machen es nur kaputt.

OT Schamoni keiner wollte die Bilder!!

Mod.: Hundertwassers naiver, farbenfroher Stil hatte eingeschlagen, wie er in dem Filmportrait „Regentag“ von Peter Schamoni aus dem Jahr 1972 erzählte und das war ja erst der Anfang.

OT Uta Belina Waeger Kunstgeschichte und Malerei 1

Mod.: findet die aus Vorarlberg stammende Künstlerin Uta Belina Waeger.

OT Uta Belina Waeger Kunstgeschichte und Malerei 2

Mod.: Oder zumindest kontroversiell diskutiert.

OT Waeger Humusklo Natureboy (heilige scheisse….ideen gehabt) + ZITAT HUWA Abfälle Humustoilette

Es gibt keine Abfälle, Abfälle existieren nicht • Die Humustoilette ist ein Statussymbol. Wir haben das Privileg, Zeuge zu sein, wie sich mit Hilfe unserer Weisheit unser eigener Abfall, unsere eigene Scheiße in Humus umwandelt, so wie der Baum wächst und die Ernte reift.

Homo – Humus – Humanitas, drei Schicksalswörter gleichen Ur sprungs • Humus ist das wahre schwarze Gold • Humus hat einen guten Geruch • Humusduft ist heiliger und Gott näher als der Geruch von Weihrauch. Wer nach dem Regen im Wald spazierengeht, kennt diesen Geruch • Natürlich ist es etwas Ungeheuerliches, wenn der Abfallkübel in den Mittelpunkt unserer Wohnung kommt und die Humustoilette aut dem schönsten Platz zum Ehrensitz wird • Das ist jedoch genau die Kehrtwendung, die unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation jetzt nehmen muß, wenn sie überleben will. Der Humusgeruch ist der Geruch Gottes der Geruch der Wiederauferstehung, der Geruch der Unsterblichkeit.

Mod.: Da hat einer schon eine quasi religiöse Beziehung zur menschlichen Natur 🙂 Entstanden ist daraus bei Hundertwasser ein Duo aus Humustoilette für die festen Ausscheidungen und Pflanzenkläranlage für Urin und Haushaltsabwässer, das er in all seinen Wohnsitzen eingebaut hat und das im Kunsthaus Wien, vulgo Hundertwassermuseum zu bestaunen und zu benützen ist. Durchaus in der Nachfolge Hundertwassers, ohne sich aber direkt auf ihn zu berufen, hat das in Wien ansässige Designstudio EOOS Studien unternommen, wie man die menschlichen Ausscheidungen trennen und etwa Urin in Ressourcen verwandeln kann.  Anna Soucek hat mit Harald Gründl von EOOS gesprochen. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten die Designer an einer in Armutsgebieten ohne Kanalisation einsetzbaren Toilette, die kein Wasser verbraucht, sondern Dünger produziert.

BEITRAG: EOOS über Humustoilette gep. / Soucek​​​​​2.46

Mod.: Ja vielen Dank an dieser Stelle für ihre Zeit! Sie hören: Diagonal zur Person Friedensreich Hundertwasser. Und jetzt kommt ein Freund und Weggefährte zu Wort:

MUSIK: Arik Brauer „Wie a Hund“

Mod.: „Wie a Hund“ Arik Brauer, der sich ja auch in einem Hausbauprojekt versucht hat. Friedensreich Hundertwasser gilt so manchem als Pionier im Umgang mit der Umwelt, dessen architektonische Umsetzungen seiner Visionen nicht richtig überzeugen. Eine Kritik: Behübschung, Dekoration und nicht wirkliche Erneuerung von Lebensräumen. Manche meinen ja, sobald er sich ans Bauen machte, begann der Niedergang. Wäre er doch bei der zweidimensionalen Kunst geblieben….

HUN OT Huber & Steinbrenner – Dekoration & Schein

Mod.: …. meinen der Architekt Martin Huber und der Künstler Christoph Steinbrener, die gemeinsam mit dem Grafiker Rainer Dempf, alle um die 60, als Künstlergruppe Steinbrener Dempf und Huber Kunstwerke vornehmlich im öffentlichen Raum schaffen.

Hundertwassers Bauten wurden trotzdem zum Hit: man führe sich vor Augen: das von Veitschi  umrankte und mit Bäumen in den verschiedensten Stockwerken bewehrte HundertwasserHaus in Wien, die Müllverbrennungsanlage Spittelau mit dem kecken Käppi am Schlot, die in die Erde der Hügellandschaft der Südoststeiermark hineingebaute Therme Bad Blumau, der von Hundertwasser verschönerte Turm der Kirche Bärnbach in derSteiermark: alle leicht als Hundertwasser Bauten erkennbar an den goldenen oder silbernen Zweibeltürmchen, den zerbrochenen Kacheln an den Mauern, schiefen Säulen, der unregelmäßigen Linienführung, der tanzenden Fassadengliederung und den starken Farben vor allem rund um die Fensteröffnungen.

Hundertwasser hegte ja eine ausgesprochene, gar aggressive Antipathie gegenüber der architektonischen Moderne, dem rasterförmigen Städtebau und der zeitgenössischen Architekturszene und wollte da dagegenhalten.

HUN OT HUWA impotenz

Mod.: Wütete Hundertwasser einmal in einer ORF Fernsehsendung und es geht noch schärfer:

HUN OT HUWA verbrecherisch

Mod.: Die so angegriffenen „modernen“ Architekten und Architektinnen revanchierten sich mit einer kompromisslosen Ablehnung des „Dekorationskünstlers“ Hundertwasser und seines Kampfes gegen die „gerade Linie“

Zitat Linie + OT Claudia Cavallar Intro – gerade Linie

Ich habe ein Fahrrad. Paris ist groß. Ich möchte sagen, daß wunderbar die Linien sind, die ich mit meinem Fahrrad durch diese große Stadt ziehe. Ich umfahre Menschen und Hindernisse. Ich bin froh, daß ich mich als Maler endlich im Einklang und im direkten Kontakt mit den anderen befinde.Und ich habe eine unendliche Genugtuung, wenn ich sehe, daß diese Linie niemals gerade und niemals wirr ist, sondern daß sie ihre Berechtigung hat, so zu sein, wie sie ist, in jedem kleinsten Teilabschnitt. Hütet euch vor der geraden und vor der betrunkenen Linie. Aber besonders vor der geraden Linie. Die gerade Linie führt zum Untergang der Menschheit.

Mod.: Die Architektin und Kuratorin Claudia Cavallar kennt sich aus, mit der österreichischen Architekturgeschichte, mit Adolf Loos, Josef Frank, ihresgleichen und der Wiener Werkstätte. Für das Museum für Angewandte Kunst, also das MAK, kuratierte und gestaltete sie Ausstellungen darüber. Derzeit ist noch bis Mai die Schau „Peche Pop“ über Dagobert Peche zu sehen.

Mit Anna Soucek analysiert sie jetzt gleich Hundertwasser in seiner Rolle als Architekt bzw. Bau-Künstler – und zwar anhand einer Fernsehsendung von 1972. Moderator Dietmar Schönherr ließ Friedensreich Hundertwasser seine gestalterischen Ideen praktisch und im Gespräch mit einer österreichischen, einer deutschen und einer Schweizer Durchschnittsfamilie erproben – vor einem Millionenpublikum. Hundertwasser präsentierte seine Ideen und Modelle, er erntete Zustimmung, aber auch skeptische Nachfragen undGelächter aus dem Publikum – und blieb dennoch gelassen, gesprächsbereit und unbeirrbar.

Beitrag: Claudia Cavallar schaut „Wünsch dir was“ / Soucek​​​​​​6‘36‘‘

Mod.: Anna Soucek hat mit der Architektin Claudia Cavallar „Wünsch dir was“ geschaut.

MUSIK: ARETHA FRANKLIN – The tree of Life (bei 3.10 langsam raus)

Mod.drüber: Und das ist Aretha Franklin mit ihrem „Tree of life“

MUSIK: hoch

Mod.: Diagonal heute zur Person Friedensreich Hundertwasser. Und wir sind noch bei der Architektur.

OT Jochen Specht 1

Ja. Zu Hundertwasser fällt mir ein, dass ich mich sehr dafür interessiert habe als Teenager und auch das HundertwasserHaus besucht habe in Wien.

Mod.: Das sagt der in Vorarlberg, dem Epizentrum der ökologischen aber auch minimalistischen Bauweise arbeitende Architekt Jochen Specht. Er unterrichtet auch an der Hochschule für Architektur in München.

OT Jochen Specht 2

Dass man dann aber als junger Architekt ganz schnell Hundertwasser eigentlich schrecklich findet, weil es so verspielt und kindisch daherkommt. Inzwischen gibt es aber in der Architektur so ein Interesse an der Postmoderne, das, wenn man so will, Homo revival will. Und in dem Zusammenhang beginnen auch einige, sich wieder ein bisschen für Hundertwasser zu interessieren. Es gibt eben Aspekte an ihm, die durchaus auch eben unter diesem postmodernen Blick auch interessant sein können. Ich denke zum Beispiel an das von ihm proklamierte Fensterrecht, wo er sagt, dass man um sein Fenster herum nicht so weit das Haus anmalen darf, wie der Pinsel reicht. Also jeder für sich sozusagen ein ganz basisdemokratisches Recht hat, das Haus nach außen hin mitzugestalten. Aber nach wie vor bleibt ein Befremden über, ja, die auch fast schon dogmatische Art, wie er eben rechte Winkel ablehnt, wie er sagt Ein quader förmiger Raum ist quasi lebensfeindlich. All diese Dinge, die ja schon auch dogmatisch und sehr, wenn man so will, verbohrt daherkommen. Ich schätze diese geistige und formale Freiheit, Naturerlebnisse auch in Innenräumen irgendwo unterzubringen, auch wenn es eben manchmal so sehr künstlich daherkommt. Und das sind eben auch Dinge, die, die die Postmoderne gesucht hat, die sie eben in der klassischen Moderne nicht mehr gefunden hat, dass alles nur noch technokratisch industrialisiert und sehr mechanisch daherkommt. Und die haben eben auch Themen gesucht wie Heterogenität, wie Ambivalenz, also dass verschiedene Materialien aufeinander geprallt sind und dass es eben diverser ist als nur das aus einer Hand geplante Gesamtkunstwerk der Moderne. Aber was man eben auch bei Hundertwasser so lesen kann, ist, dass er eben dieses Naturideal über alles stellt und dass für ihn aber Natur automatisch mit diesem organisch kindlich Verspielten daherkommt. Und das muss ja gar nicht so sein. Also ein Holz muss ja nicht verwinkelt sein, wie er das macht, sondern er kann ja durchaus schlicht und klar und einfach sein. Und dieses Missverständnis, also Natur automatisch gleichzusetzen mit diesem Verspielten und Verschnörkelten, das ist das, was ich ihm und seiner Doktrin, wenn man so will, auch vorwerfen würde.

Mod.: sagt Architekt und Architekturprofessor Jochen Specht, den Nicole Dietrich in Vorarlberg getroffen hat. Ja, damals, das war schon was, als Hundertwasser im Wien der 1980er Jahre das Hundertwasserhaus nach jahrelangen Diskussionen bauen durfte. Er versprach:

OT HUWA dieses haus wird handgeformt

Mod.: Die Wiener reagierten darauf Anfang der 80er Jahre, tja …. wie soll man sagen, sehr wienerisch….. 😉

OT Strassenumfrage HUWA Haus

Mod.: Jetzt steht es da, das Hundertwasserhaus im dritten Bezirk in Wien, ergänzt durch das Kunsthaus Wien, in dem neben Räumen für Ausstellungen auch eine Dauerausstellung zum Werk von Friedensreich Hundertwasser untergebracht ist. Beide Häuser längst Anziehungspunkt für Besucherinnen und Besucher von überall her, mehr Wahrzeichen als Stephansdom und Riesenrad zusammen. Hier kann man sich auch mit „Merch“ eindecken, also mit kleinen Gegenständen, die Hundertwassers Handschrift tragen. Es war ja durchaus ein Anliegen des Künstlers, dass nicht nur die betuchte Klientel so ein Original mit nach Hause nehmen kann. Kaspar Arens über Kitsch, Kunst und Kommerz aus dem Hause Hundertwasser.

BEITRAG:  Kitsch & Kommerz / Arens                    ​​​​​​​​ 9.46

MUSIK: Bob Dylan live , Money Honey , Ithaca 1999  ​​​(bei 2.33 ca langsam aussteigen)

Mod.: Money Honey – in der Version von Bob Dylan, den Friedensreich Hundertwasser geschätzt hat, auch wenn er laut unseren Auskunftspersonen jetzt nicht so einen ausgeprägten Musikgeschmack hatte. Apropos Auskunftspersonen: Über so gut wie alles und jedes, was Hundertwasser betrifft, weiss die „Gemeinnützige Stiftung Hundertwasser“ Bescheid. Sie verwaltet auch das umfangreiche Hundertwasser Imperium und betreut das gut bestückte Archiv. Erich Klein und Anna Soucek begleiten uns dorthin.

BEITRAG: Besuch in Stiftung mit Dr Fürst / Soucek&Klein ​​​​​8‘52‘‘

Mod.: Kleidung als zweite Haut war auch ein großes Thema bei Hundertwasser. Er verweigerte den klassischen männlichen Kleidungsstil der Zeit – seine legendäre Kappe ziert bis heute die Müllverbrennungsanlage in der Wiener Spittelau. Auffällig bunte Kleidung – auch etwas, das er mit Arik Brauer gemeinsam hat – neben der Ablehnung vom Winkelmaß.

HUN MUSIK Winkelmaß / Brauer !! korr.

Mod.: Arik Brauer… er war es, der Hundertwasser mit Joram Harel bekannt machte, seinem Manager seit 1972, heute Vorsitzender der Stiftung. Harel erinnert sich, wie er Hundertwasser kennenlernte: für den befreundeten Arik Brauer hatte er eine Ausstellung gehängt.

OT Harel über Kennenlernen

Mod.: In diesen jahren kam es schon vor, dass sie 10 Mal am Tag telefoniert haben, erzählt Joram Harel. Er organisierte für Hundertwasser eine Weltwanderausstellung, die in 42 Länder führte. Die örtlichen österreichischen Botschaften konnten sich mit dem Kunst-Star schmücken – für Hundertwasser und seinen Manager waren nicht nur die Publicity, sondern auch die Kontakte zu den Amtsträgern wertvoll. Auch die österreichischen Politiker umwarben Hundertwasser. War es Harel, der einfädelte, dass Hundertwasser einen Bauauftrag der Stadt Wien erhielt? Er hatte sich an Bundeskanzler Kreisky gewandt, dessen Kanzlei – wie bereits erwähnt – von einem Hundertwasser-Bild geschmückt wurde.

OT Harel über Kreisky-Brief

Mod.: Eine Kopie von dem Brief, den Kreisky an Gratz geschickt hat, um dem Wiener Bürgermeister das Projekt Hundertwasserhaus ans Herz zu legen, haben Anna Soucek und Erich Klein von ihrem Besuch in der Stiftung mitgebracht, darin heisst es unter anderem:

Zitat Brief von Kreisky an Bürgermeister Gratz (gelesen von Stefan Suske)

Mod.: Und so war es dann auch. Hundertwasser durfte die große Ausnahme unter den Wiener Gemeindebauten bauen, die sonst den strengsten Bestimmungen unterliegen.

OT TV nur HUWA darf das

MUSIK: Maori Haka Chant (Traditional Maori Music) 3

Mod.: Ein traditionelles Lied der Maori und damit unsere Rückkehr zum Anfang der Sendung, nach Neuseeland. Hundertwasser hat das traditionelle Wissen der Maori um ein respektvolles Zusammenleben mit der Natur sehr geschätzt. Sonst war er in der Gegend eher als Sonderling bekannt, wie der Filmregisseur Florian Habicht Nicole Dietrich geschildert hat. Er ist in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hundertwasser aufgewachsen und hat vor kurzem eine Dokumentation fertig gestellt, in der er den 100. Geburtstag der Maori Dame Isey schildert, die mit Hundertwasser regelmäßg segeln war…..

BEITRAG: Florian Habicht Neuseeland Anekdoten​​​​​​​7.18

Mod.: Und das ist doch ein schönes Schlußwort!

Signation:

Mod.: Alles unter einer Kappe – das war ein Diagonal zur Person Friedensreich Hundertwasser. Lektüretipps, Links und die Musikliste finden Sie auf unserer Seite im Netz: oe1.orf.at/diagonal. Das Gespräch mit der Künstlerin Ida Szigethy gibt es ausführlicher im „Diagonal gefragt“ Podcast zu hören, entweder auf orf Sound oder der Plattform ihrer Wahl.

(In Diagonals Feinem Musiksalon erwartet Sie gleich anschließend Kaspar Arens – er läßt Sie hineinhören in das neue Album von By.Alexander, vormals Alex da Kid.)

Studiotechnik: Anna Kunzio, Georg Janser und Sabine Heyna. Mit den Stimmen von Till Firit, Karl Menrad und Stefan Suske. Beiträge kamen von Kaspar Arens, Nicole Dietrich, Erich Klein und Anna Soucek, die auch für die Konzeption der Sendung verantwortlich war. Regie: Peter Waldenberger, Redaktion und  Moderation: Ines Mitterer