0.04 Unter Künstlerinnen und Künstlern war Medardo Rosso schon immer ein Begriff und eine Größe.
0.11 Viele verweisen in ihrer Arbeit auf den eigenwilligen Italiener in Paris:
0.20 Auf seine Art, dem Material Lebendigkeit und Zärtlichkeit einzuhauchen … Louise Bourgeois. 0.29
Auf seine Idee einem Gesicht viele Perspektiven einzuschreiben … Francis Bacon
0.34 …. den Hang zu Serien mit den immergleichen Motiven pflegt viel später Andy Warhol. Und Giacometti war schon zu Medardos Lebzeiten ein Fan. Doch wer war der große Unbekannte mit seinen bis heute inspirierenden Skulpturen?
Er soll ein Schwieriger gewesen sein, der Künstler Medardo Rosso, geboren 1858 in Turin, gestorben 1928 in Mailand.
0.59 Ein starker Mann, der seinen Materialien zarte Gefühle abringen wollte.
Unbeugsam, stur, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus – ein Bote der Moderne mit ihrem Hang zum Ungewissen, Unfertigen, Unscharfen …
1.17 OT Heike Eipeldauer, Kuratorin Insert: 1.22
2.08 Gemeinsam mit den Nachkommen von Medardo Rosso plante Heike Eipeldauer die Ausstellung. Sie halten den Schatz an Skulpturen und Fotografien in dem kleinen Bergdorf Barzio nördlich von Bergamo zusammen.
Das ist der Feriensitz der Familie.
Medardos Sohn Francesco hatte sich dort in den 1930er Jahren eine Villa bauen lassen. Nach der späten Versöhnung mit dem Vater, der die Familie verlassen hatte, um nach Paris zu gehen und Kunst zu machen.
Der Künstler, der Zeit seines Lebens in Geldnot war, hatte einen erfolgreichen Unternehmersohn. Und der errichtet ihm in der entweihten Kirche neben seiner Villa ein Museum.
2.53 OT Guendalina Giannini Mochi, Insert: 2.58
Ururenkelin Medardo Rosso
Voice over: Medardo Rosso hat mit der klassischen Bildhauerei und der Kunst der damaligen Zeit gebrochen. In seiner Skulptur sollte die Materie Bewegung sein, die sich im Raum auflöst, viele Perspektiven zeigt. Er arbeitete mit dem neuen Medium der Fotografie auch künstlerisch, nicht nur um seine Bildhauerei zu dokumentieren, sondern um sie zu ergänzen. Er wollte kein fertiges Produkt anbieten, sondern zu eigenen Gedanken und Gefühlen anregen – deshalb beschäftigen sich Generationen von Künstlern bis heute mit ihm, weil er ein Vorreiter seiner Zeit war.
3.29 Von seinen Zeitgenossen wurde der Italiener gleichermassen gefeiert wie mißverstanden. Von der Kunstakademie in Mailand wegen Unbotmäßigkeit schon nach einem Jahr gefeuert, war Rosso nach Paris gegangen ins Epizentrum der damaligen Kunstproduktion.
Mit Degas verband ihn das Interesse an der Bewegung und an der Fotografie, mit Rodin die Erneuerung der Bildhauerei……
3.55 OT
4.05 Insert: Danila Masure Rosso, Urenkelin
voice over: In Frankreich war man gegen ihn, weil er Ausländer war. Mit Rodin war er anfangs sehr befreundet. Als Rodin aber merkt, dass dieser Künstler ihm als Bildhauer Konkurrenz machen könnte, fängt er an, gegen ihn zu mauern, ihm den Zugang zu den Salons zu verwehren, ihn daran zu hindern, an Ausstellungen teilzunehmen. Sollte Rosso es trotzdem geschafft haben, hat man auch schon einmal seine Werke versteckt. Das steht in den Briefen, in der Korrespondenz, die ich gefunden habe.
4.31 Das hat alles nichts genutzt. Medardo Rosso wird international eingeladen und geschätzt. Als man in der Wiener Secession 1903 eine Ausstellung über die hippen Impressionisten ausrichtet, wird sein Werk als „unentbehrlich“ eingestuft. Der Künstler selbst ziert sich zuerst und bestätigt sein Image als „schwieriger Charakter“, macht am Ende aber doch mit.
4.54 OT Heike Eipeldauer, Kuratorin
5.20 Danach bekommt Rosso noch eine Einzelausstellung in der Gallerie Artaria am Kohlmarkt. Die Presse ist begeistert.
Wie auch heute wieder über die große Herbstschau im mumok. Diese Ausstellung könnte kompletter nicht sein mit all den Meisterwerken vom Impressionismus bis heute.
Dieses Eingebettetsein hätte Medardo Rosso sicher gefallen – sah er doch alle Bedeutung in: der Beziehung!
Medardo Rosso
Diagonal stellt vor 2.11.24
Manus:
ATMO: Autofahrt + Türen zuschlagen + Bergdorf
Mod.: Angekommen! in einem Bergdorf eine gute Stunde nördlich von Bergamo. Vor uns ein Schild: Villa Rosso – ein Prachtbau aus den 1930er Jahren in dem Nobelferienort Barzio, hohe Mauern bezäunen einen gepflegten Park. Bauen lassen hat sich das eindrucksvolle Gebäude der Unternehmer Francesco Rosso – Sohn eines damals und heute wieder sehr bekannten Künstlers: Medardo Rosso. Dazwischen war er ein wenig in Vergessenheit geraten. Und das obwohl Apollinaire ihn nach dem Tod Rodins als „größten lebenden Bildhauer“ feiert, die italienischen Futuristen ihm ihr Manifest widmen und die Kritik seiner Zeit in Paris Ende des 19. Jahrhunderts seine Modernität honoriert – »Rodin ist an dem Punkte angelangt, von wo Rosso ausgegangen war«, heißt es in einer Ausstellungskritik von 1905 .
OT Guendalina Vorläufer für Künstler heute 1 uü
Mod.: Medardo Rosso war seiner Zeit einfach sehr weit voraus, sagt Guendalina Giannini Mochi, Ururenkelin von Medardo Rosso. Sie kümmert sich jetzt gemeinsam mit ihrer Mutter um das künstlerische Erbe des Bilhauers und Fotgorafen, das jetzt wieder sehr gefragt ist: vom Museum Mapfre in Madrid über das mumok in Wien bis ins Kunstmuseum Basel, wohin die Wiener Ausstellung im nächsten Jahr gehen wird.
OT Guendalina Vorläufer für Künstler heute 2
voice over: Medardo Rosso hat mit der klassischen Bildhauerei und der Kunst der damaligen Zeit gebrochen. In seiner Skulptur sollte die Materie Bewegung sein, die sich im Raum auflöst, viele Perspektiven zeigt. Er arbeitete mit dem neuen Medium der Fotografie auch künstlerisch, nicht nur um seine Bildhauerei zu dokumentieren, sondern um sie zu ergänzen. Er wollte kein fertiges Produkt anbieten, sondern zu eigenen Gedanken und Gefühlen anregen – deshalb beschäftigen sich Generationen von Künstlern bis heute mit ihm, weil er ein Vorreiter seiner Zeit war.
ATMO: Tür geht auf
Mod.: Medardo Rosso selbst, geboren 1858, gestorben 1928, war nie hier in Barzio in den lombardischen Bergen. Es war der Lieblingsferienort seines Sohnes Francesco. Der Zeit seines Lebens ziemlich arme Künstler hatte einen reichen Unternehmersohn und der hat für die Skulpturen seines Vaters hier ein kleines Museum eingerichtet, gleich neben seiner Villa, in einer entweihten Kirche aus dem 16. Jahrhundert. Hier stehen sie, diese sonderbaren Skulpturen auf ihren Holzpodesten: Köpfe, Portraits, von einem reichen Sammler, aber mehr noch von namenlosen Menschen, einer Concierge, einem Buchmacher, einem lachenden Mädchen, einem kranken Kind, einem Knaben …. oft aus „minderwertigen“ Materialien, Gips, Wachs, selten aus Bronze … irgendwie unfertig, das Gesicht wächst aus dem Material heraus, die Ränder der Skulptur, ihre Rückenansichten sind unbearbeitet – die vollendete Form, das Abgeschlossene, die Virtuosität – all das interessierte Rosso nicht.
Was ich in der Kunst am meisten anstrebe, ist, dass man das Material vergisst. Der Bildhauer muss das mitteilen, was seine Sensibilität erregt hat, damit der Betrachter seines Werkes die Emotionen, die der Künstler bei der Beobachtung der Natur empfunden hat, in ihrer Gesamtheit erleben kann.
MUSIK:
Mod.: Diese Skulpturen berühren und wirken lebendig. Warum das so ist, bleibt ein Rätsel – beim Anblick seiner Aetas Aurea, einer Darstellung seiner Frau mit dem Kleinkind Francesco am Arm, verspürt man eine ungeheure Zärtlichkeit – Wange an Wange, Mutter und Kleinkind wachsen da heraus aus dem mit Wachs überzogenen Gips. Was aus der Ferne wie ein Klumpen Materie wirkt, zeigt oft erst beim Näherkommen menschliche Züge.
Wenn ich ein Porträt anfertige, kann ich es nicht auf die Linien des Kopfes beschränken, denn dieser Kopf gehört zu einem Körper, er existiert in einer Umgebung, die ihn beeinflusst, er ist Teil einer Gesamtheit, die ich nicht unterdrücken kann. Der Eindruck, den Sie auf mich machen, ist nicht derselbe, wenn ich Sie allein in einem Garten sehe oder wenn ich Sie inmitten einer Gruppe anderer Menschen, in einem Wohnzimmer oder auf der Straße sehe.
OT HE Verlebendigung
Mod.: Der avancierteste Physiker seiner Zeit bastelt gerade an der Relativitätstheorie, Rosso denkt künstlerisch über das Phänomen nach. Heike Eipeldauer, Kuratorin am mumok ist seit ihrer Studienzeit begeistert von Medardo Rosso – die Ausstellung beschäftigt sie schon seit mehr als fünf Jahren:
OT HE Antidenkmal
Ja, es war die Zeit der Denkmalmanie, wo die Monumente nur so aus dem Boden geschossen sind. Die Tradition des Monuments ist natürlich eine männlich konnotierte Tradition. Da geht es um Stabilität, da geht es um Ewigkeit, um Dauerhaftigkeit. Und das, was Medardo Rosso macht, ist genau das Gegenteil. Es ist wirklich so ein Zug zum Anti Monumentalen. Er verwendet kleine mobile Formate, sehr, sehr intime Szenen. Es geht nicht um die großen Heldengeschichten, sondern es geht um Menschen des Alltags, Schwellen, Figuren, Menschen aus Fleisch und Blut. Es geht um. Es geht auch nicht so sehr um das Äußerliche der Menschen, sondern es geht um. Es geht um Seelenzustände.
Mod.: Von den Konventionen seiner Zeit, erzählt Urenkelin Danila Masure Rosso, hielt der Mitte des 19. Jahrhunderts geborene Medardo Rosso nie viel. An der Kunstakademie in Mailand wurde er zwar aufgenommen, blieb aber nicht lange dabei.
OT Danila aus Akademie geworfen
voice over: Er wurde aus der Akademie geworfen, weil er sich weigerte, an den regulären Kursen teilzunehmen. Er wollte das Leben kopieren, und dann ließen sie ihn diese akademischen Zeichnungen anfertigen!! Wir haben hier sogar noch eine, unter die er geschrieben hat: „Ich wurde auch vergiftet, aber nur für kurze Zeit.“ Es ist ein Kinderkopf, der aussieht als wäre er von Raphael, ein schönes Stück. Aber er hasste es, er wollte so etwas nicht tun.
Mod.: Also führte der beste Weg ins damalige Paris – DIE Kunstmetropole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Impressionisten hatten gerade mit ihren Malereien die Kunstwelt auf den Kopf gestellt und man diskutiert in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeiten der Bildhauerei. Zentrale Figur ist da natürlich: Auguste Rodin.
OT Danila in Frankreich boykottiert
voice over: Natürlich wurde er in Frankreich angefeindet, weil er ein Ausländer war. Am Anfang war er ja mit Rodin sehr befreundet. Als Rodin aber merkt, dass dieser Künstler ihm Konkurrenz machen könnte, beginnt er zu mauern, sperrt ihn von den Salons aus, hindert ihn daran, an Ausstellungenteilzunehmen und Werke auszustellen. Sollte es Rosso dann doch in die eine oder andere Ausstellung geschafft haben, dann haben sie seine Werke manchmal regelrecht versteckt!Das habe ich alles in Briefen, in seiner Korrespondenz gelesen.
OT HE paris einzelgänger gegen grenze
Rosso ist er der italienische Immigrant, der versucht anzuknüpfen, der versucht, staatliche Aufträge zu erhalten, der aber als Italiener relativ wenig Chancen hat. Und aus dieser Position heraus? Er selbst versteht sich als Weltenbürger. Er kämpft gegen jede Art von Grenze an. Und interessanterweise sind die Grenzen in der Skulptur und die Grenzen im Sinne von Nationalstaaten. Das sieht er sozusagen als Ineinandergreifende an. Grenzen jeglicher Art sind ihm zuwider und so agiert er auch.
MUSIK:
OT HE performances doppelrolle
Er inszeniert sich in der Doppelrolle als Künstler und Kunsthandwerker. Relativ ungewöhnlich für die Zeit. Rodin hat seine Bronzen gießen lassen in Gußwerkstätten hat es großen Patinieren lassen von Patinieren. Rosso inszeniert sich in semi öffentlichen Performances in seinem eigenen Atelier. Das muss man sich so vorstellen, als als wie in einem Party Setting mit mit Champagne, wo er sich Hephaistos artig vor dem Guss Ofen als mächtige Künstlerpersönlichkeit geriert. Und das wird das, dass das verschmilzt zu seiner Selbstidentität, diese Doppelrolle.
Mod.: Bildhauer, Performancekünstler und Fotograf: Medardo Rosso hat die Fotografie als Teil seiner Skulpturen gesehen, nicht Dokumentation sondern eigenes Kunstwerk. Immer wieder nimmt er seine Skulpturen auf, beschneidet die Fotos, collagiert – sehr modern! Die Technik steckte noch in den Kinderschuhen im späten 19. Jahrhundert – Rosso gefiel das Experimentieren – seine erste Kamera hat er wohl von einem ziemlich berühmten Kollegen und Freund geliehen bekommen. Er schrieb:
OT Danila Degas 1
VO: „Wenn ich in Paris geblieben bin, dann nur wegen Degas“. Degas sprach italienisch, weil er neapolitanische Verwandte hatte und lange Zeit in Neapel gelebt hat. Degas hat Rosso sehr geschätzt und ihn in seine Kreise in Paris eingeführt. Degas hat auch fotografiert. Sie tauschten ihre Ansichten über Fotografie aus. Degas muss ihm auch eine Kamera zum Fotografieren geliehen haben. Er hat ihn auch dem Mäzen Henri Ruoart vorgestellt, einem Stahlmagnaten, der sich dann sogar von Rosso portraitieren ließ. Das ist der Kreis, in dem er sich bewegt hat, obwohl er fast nie über seine Zeitgenossen spricht. Er war sehr schüchtern.
AUSSTELLUNGSATMO:
Mod.: Da stehen und hängen sie jetzt alle rund um Medardo Rossos Skulpturen und Fotografien herum in der Ausstellung im mumok in Wien, die für Almuth Spiegler, Kollegin von der Presse, schon jetzt die „Ausstellung des Jahres“ ist: die Superstars seiner Zeit, mit denen Rosso trotz Schüchternheit Kontakt pflegte und die ihn schätzten: Degas ist da mit einem Tänzerinnengemälde und einer fast lebensgroßen Skulptur vertreten, Modigliani mit einem Frauenportrait, Giacometti mit zwei Figuren in einem schlanken Metallrahmen, der Rossos Gewohnheit reflektiert, manche seiner Portraits unter einen metallgerahmten Glassturz zu stellen, Brancusi, Seurat …. So hat Medardo Rosso sich Ausstellungen vorgestellt: immer das eine, die Malerei in Kommunikation mit dem anderen, der Bildhauerei – es gibt historische Fotos davon, von Rosso selbst gemacht. An der Wand impressionistische Gemälde, davor seine Skulpturen.
Als es darum ging, im Jahr 1903 in der Wiener Secession eine große Impressionismus Ausstellung einzurichten, musste man sich um den Schwierigen bemühen, der seine Werke nur würdigen Ausstellungsmachern anvertraute und unter seinen Bedingungen. Was dann auch passiert ist, war er doch für die Ausstellung „unentbehrlich“ wie in einem zeitgenössischen Brief zu lesen ist.
OT HE wien secession unfall de france
Das war wirklich ein Abriss über sämtliche impressionistischen Bewegungen. Zu der Zeit eine ganz wichtige Ausstellung, an der er als einer der wenigen Italiener teilgenommen hat, inmitten von anderen Bildhauern, aber auch von anderen Malern. Und im Zuge dessen wurde er von Artaria eingeladen, eine Einzelausstellung in Wien zu haben. Als er dann die Werke abholen wollte aus der Sezession, kam es zu einem Unfall mit einer Straßenbahn auf der Mariahilfer Straße. Gibt es Artikel in der Arbeiterzeitung, wo zu lesen ist, dass er abgesprungen ist und ein Schädel Hirn Trauma erlitten hat und dann ins Spital gebracht werden musste und dann viele Monate der Rekonvaleszenz im Hotel de France verbracht hat.
Mod.: Ein erzwungener Aufenthalt in der Stadt, der dann doch zumindest zu einer feinen Einzelausstellung geführt hat. „Die Zeit“ schrieb damals über diese Personale:
Zitat Zeit: In seinem Bestreben, den Gesamteindruck wiederzugeben, wird er sich nicht auf die Figur beschränken, sondern die Luft mitbilden, die sie umfliesst, das Licht, das sie umspielt, also gewissermassen den Raum zeigen, in dem die Figur steht. Das über die Skulptur gleitende Licht erzeugt das Bild des Lebens.
Mod.: oder in der Österreichischen Volkszeitung vom 14. Februar 1905 stand zu lesen:
Zitat Österreichische Volkszeitung: Man sieht Gebilde aus Bronze oder Wachs, aus deren flatternder Regellosigkeit mitunter nur mit Mühe das beabsichtigte Motiv zu enträtslen ist. Hat man aber die richtige Distanz für das Auge gefunden, dann erkennt man eine Gestalt, einen Kopf oder auch nur einzelne Züge eines Gesichtes aus denen das Leben in pulsierender Wärme lacht, weint oder klagt.
OT HE fragil vorläufig – viele künstlerinnen interessant Er hat erst versucht, aus der stabilen, monumentalen Skulptur etwas Feines, Bewegliches, Fragiles, Vorläufiges auch zu machen. Ich glaube, das ist auch so ein Punkt, der für viele Künstlerinnen so interessant ist.
Mod.: Während man bewundernd vor einer Rodin Skulptur steht, berühren die Arbeiten von Medardo Rosso und bleiben rätselhaft und genau das hat seine Kolleginnen bis heute inspiriert. Die Wiener Ausstellung, kuratiert von Heike Eipeldauer, bettet seine Skulpturen in ein Umfeld von nachgeborenen Künstlerinnen und Künstlern und man spürt die unsichtbaren Fäden zwischen Medardo Rossos Mutter mit Kind am Arm und Louise Bourgeois in einem gläsernen Kasten liegender Mutter mit Baby am Bauch, genäht aus wolligen Stoffresten; zwischen Rossos multiperspektivischen Gesichtern und einem Francis Bacon zwischen den vielen Varianten ein und desselben Sujets bei Rosso und Andy Warhols Serien; zwischen Rossos billigen Materialien und Phyllida Barlows bemalten Karton- oder Schaumstoffassemblagen, die Rosso „alarmierend lebendig“ gefunden hat ….
OT HE bei künstlerinnen populär unfertiger look berühren
Und das ist interessant, weil weil es eben gerade Künstlerinnen waren, die, die sehr stark profitiert haben von ihm oder sich auf ihn direkt oder indirekt bezogen haben. Also da gibt es Entwicklungen, die dann gerade in den 60er Jahren virulent werden, beispielsweise diese Bewegung von der Form zum Material und zum Prozess, dass der Prozess immer wichtiger wird. Man sieht, an diesen Objekten, denen sind, ist die Arbeit eingeschrieben, die haben Rinnsale, die haben Spuren des Gussvorgangs, Löcher oder oder stehen gelassene Funde von den beiden Gussformen, stehen gelassene, fast heiligenschein artige Ränder, die er nicht abnimmt, die er nicht wegpoliert, die er nicht verschönert. Es ist ein anti idealistischer Zugang, der nicht mehr Schönheit in einem klassischen Sinn transportiert, sondern wo es wirklich um die organische Oberfläche, um die Materialität, um um einen, um eine Vorstellung von Berühren und berührt werden geht. Also eine andere Art von Wahrnehmung der Umwelt.
So über alle Grenzen hinweg und von allen Seiten beleuchtet wurde Medardo Rossos Werk noch nie in einer Ausstellung gezeigt. Die Gestaltung von Florian Pumhösel und Walter Kräutler ordnet den Blick, bricht ihn gleichzeitig durch transparente Textilwände und vermittelt das Gefühl: genau so ist es gut und richtig – da lässt man sich doch gerne die Wahrnehmung verschieben!