Viel Landschaft wenig Mensch – Diagonal zur Person Caspar David Friedrich
12. Oktober 2024
Moderation: Ines MittererRegie: P.Erdmann, P.Waldenberger
Sign.:
CDF / Anfang gebaut + Sign, Filmausschnitt + Musik
ATMO: Krähen Filmausschnitt 1: Ich weiß genau. Er würde Lobreden auf seine Person nicht mögen. Aus Bescheidenheit hat er keines seiner Gemälde je mit seinem Namen gezeichnet. Was berührt uns so stark an seinen Bildern? Es ist die ganz und gar neue Art und Weise, in der er als Maler sich der Natur zugewandt hat. Dabei ging es ihm nicht nur um die Abbildung des äußerlich Sichtbaren.
Mod.: sagt in einem Film von Peter Schamoni aus dem Jahr 1986 ein Arzt, Philosoph und Hobbymaler über seinen Freund: Caspar David Friedrich. Bevor man den Meister dann selber beim Denken zuhören kann:
Filmausschnitt 2: Der Maler soll nicht malen, was er vor sich sieht, sondern was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich. So unterlasse, lieber zu malen, was er vor sich sieht. + musik unter mod weiter.
Mod.: Er hat viel gesehen, der Deutsche Caspar David Friedrich, geboren 1774 in Greifswald an der Ostsee in Schwedisch Pommern, gestorben 1840 in Dresden, damals Hauptstadt des Königsreiches Sachsen. Heuer zum 250. Geburtstag kommt man um den menschenscheuen Maler nicht herum: Ausstellungen, Symposien, Lesungen aller Orten – zumindest bei den Nachbarn in Deutschland. Friedrich mit seinen Landschaften, Seestücken, Ruinen, einsamen Wanderern oder Mondbetrachtern – ein alter Hut? Mitnichten (!) finden all jene, die an dieser Sendung heute mitgearbeitet haben:
T: Viel Landschaft wenig Mensch – Diagonal zur Person Caspar David Friedrich, präsentiert von Ines Mitterer
Mod.: Erich Klein war mit Friedrich–Auskennern in Dresden und Berlin unterwegs, Dominique Gromes vergleicht das Landschaftsbild von Romantik und Anthropozän, Horst Widmer schaut sich den „Wanderer über dem Nebelmeer“ genau an und erzählt, was man aus dessen Haartracht herauslesen kann und wir betrachten die Zeichnungen und Gemälde von Caspar David Friedrich aus der Perspektive heutiger KünstlerInnen wie Herbert Brandl oderMonica Bonvicini. Interessant ist ja – wären da nicht hie und da Figuren in der Tracht der Zeit auf den Bildern – sie wirkten tatsächlich zeitlos…
zitat illies erde 1: Ja, wie hat sich Friedrich die Erde wohl gewünscht? Am liebsten wahrscheinlich ohne Menschen.
Mod.: schreibt Florian Illies in seinem Buch „Zauber der Stille. CDF Reise durch die Zeiten“.
Zitat Illies Erde 2: Seine engsten Freunde berichten, dass er sich gern abgesondert hat von allen anderen. Dazu schreibt der Maler selbst: »Ihr nennt mich Menschenfeind, weil ich Gesellschaft meide. Ihr irrt Euch, ich liebe sie. Doch um die Menschen nicht zu hasssen, muss ich den Umgang unterlassen.« Na ja. Die Figuren, die in seinen Landschaften stehen, wirken auf jeden Fall immer wie die Letzten ihrer Art. Ja, wie Betrachter, die noch einmal einen Blick auf die Natur werfen wollen, kurz vor dem eigenen Untergang. Die Apokalypse gehört nicht ohne Grund zu Friedrichs meistgelesenen Passagen der Bibel.
Mod.: Die Warner vor der ökologischen Apokalypse heute haben in dem menschenscheuen alten Maler einen Ahnherrn gefunden. Darin erkennt Florian Illies auch einen der Gründe für seine aktuelle Popularität:
OT Illies für Anfang Klimaschützer
Als ich mich anfing, mit Caspar David Friedrich zu beschäftigen und darüber zu sprechen, spürte ich, dass es da eine neue Ebene des Zugangs gibt für jüngere Menschen, die plötzlich merken, dass es eine solche Form des Verhältnisses zur Natur, das sie anstreben, schon mal gegeben hat, nämlich bei Friedrich, und zwar bevor die Industrialisierung begonnen hat. Das ist natürlich sehr aufregend, dass jemand die Natur bereits als etwas Gefährdetes malt, ohne dass die Gefahr eigentlich existiert.
Filmausschnitt 3: Mit jedem Gemälde fordert er den Betrachter auf, am Erlebnis der Landschaft teilzuhaben. Ehrfurcht zu haben. Vor dem Geheimnis der Natur.
MUSIK: Brian Eno / And then so clear
Mod.: Peter Schamonis „Friedrich Biopic“ von vor 40 Jahren läßt den Maler selbst nur in seinen Werken und in Zitaten vorkommen – das Rundherum – sein Freund, der Arzt und Philosoph Carl Gustav Carus, der gerade gesprochen hat – Herr Goethe und Herr Kleist, der preussische Kronprinz und all die Skeptiker und Fans werden von Schauspielern dargestellt. Sensationell an dem Film sind neben seiner historischen Genauigkeit auch die Landschaften, die Regisseur und Kameramann Gérard Vandenberg da als Entsprechung zu den Gemälden gefunden haben.
Man kann in Caspar David Friedrichs Bildern auf Wanderschaft gehen, wird später der österreichische Künstler Herbert Brandl sagen. Wir machen das gleich, zuerst besingt Brian Eno noch den Schnee über der Tundra, den Regen am Himmel und die messerscharfe Skyline der Berge….
MUSIK: hoch
Mod.: Brian Eno, “And then so clear” – atmosphärisch dichte Musik in diesem Diagonal zur Person Caspar David Friedrich. Wie gewohnt sammelt der deutsche Autor Florian Illies auch in seinem jüngsten Buch über den deutschen Maler der Romantik Geschehnisse aus und rund um den Gegenstand seiner Betrachtung zusammen; er folgt Friedrichs Gedankenstrom, bekannt aus dessen Aufzeichnungen, imaginiert Dialoge mit Sammlern und Gegenspielern oder folgt dem Geschick der Gemälde oft bis heute. Dabei erfährt man zum Beispiel, dass circa die Hälfte aller Friedrich Werke bei diversen Bränden vernichtet wurde.
Eine andere Szene in dem Buch stammt aus den 1930er Jahren. Walt Disney ist gerade zu Besuch in Deutschland und kauft in einer Münchner Buchhandlung nicht weniger als 149 Bildbände und Illustrierte, um die europäische Zeichen– und Malkunst dann in Hollywood genau zu studieren und nicht nur in diesen Film einzusetzen.
Block Bambi (zitat illies bambi: Als in dem Film dann das kleine Bambi durch die großen Fichtenwälder und über dunstige Wiesen hopst, sieht man Friedrichs »Morgennebel im Gebirge« vor sich. Wenn das Reh vor den Hunden ins Gebirge flieht, dann flieht es eigentlich in Friedrichs »Felsenschlucht«, so genau sind die Felsbrocken und Baumstämme seinem Gemälde nachempfunden. Und als am Ende der Wald in Flammen steht und das Firmament rot aufleuchtet, ist das ganz und gar ein Friedrich’scher Himmel, zu dem Bambi emporblickt.
Als am 10. Mai 1933 die Bücherverbrennung beginnt, gehört Felix Saltens Bambi zu den ersten Büchern, die brennen. Der jüdische Autor hat in dem um sein Leben kämpfenden Rehkitz die verzweifelte Lage der Juden in die Tierwelt verlegt. Doch das hat ihm nicht geholfen.
Nach vierjähriger Produktionszeit kommt Walt Disneys Film Bambi in die Kinos, und Adolf Hitler gehört 1942 zu den Ersten, die ihn in Europa sehen. Er schaut Bambis Flucht vor dem Feuer inmitten des Krieges in seinem privaten Kino auf dem Berghof an und ist gerührt.)
BT: Gespräch mit Florian Illies. Der heutige CDF. Erich Klein13.20
MUSIK: Nils Petter Molvaer / Sober
Mod.: drüber: Erich Klein hat Florian Illies in Berlin getroffen. Und das ist Nils Petter Molvaer – ein norwegischer Landschaftsmaler könnte man sagen, in der Musik!
MUSIK hoch
BT: CDF heute: Brandl / Mitterer6.19
Mod.: Und das war noch einmal ein Zitat von Gerhard Richter, am Ende unserer Kunstbetrachtungen mit Herbert Brandl.
MUSIK: Gustav Mahler/Lieder/Ging heut morgen übers Feld4.03
Mod.: Ging heut morgen übers Feld. Aus Gustav Mahlers „Liedern eines fahrenden Gesellen“, gesungen von Christian Gerharer in dieser Sendung über Caspar David Friedrich. Natürlich ist Mahler fast hundert Jahre nach Friedrich auf die Welt gekommen, aber wir finden, die Stimmung passt. Und damit schicken wir Erich Klein nach Deutschland, das seinem berühmten Maler zum 250. Geburtstag einen satten Ausstellungsreigen darbringt.
BT: Wo alles begann 1 /Erich Klein14.40 min.
Mod.: Erich Klein mit dem ersten Teil seiner Exkursion in Caspar David Friedrichsche Gefilde. Die Gavotte “Le Tambourin” von Jean Philippe Rameau wollen wir uns jetzt anhören, gespielt auf einem zu Friedrichs Zeiten so aussergewöhnlichen wie beliebten Instrument: der Glasharfe …..
MUSIK: Rameau/ Gavotte „Le Tambourin“ für Cembalo/Glasharfe2.49
Mod.: Caspar David Friedrichs Landschaften haben schon seine Zeitgenossinnen begeistert und irritiert, weil sie eben nicht so „romantisch“ harmonisch brav gemalt waren, wie es den Anforderungen der Akademien der Zeit entsprochen hätte. Die Industrialisierung ist erst am Anfang, als Friedrich seine Bilder auf die Leinwand bringt und tausende Zeichnungen von Bäumen, Steinen, Felsen, Wellen. – Heute schauen wir ganz anders auf die Landschaft – viel zu sehr von außen, wie Friedrichs Rückenfiguren, als wären wir nicht Teil des „Lebendigen“ wie vor allem französische Philosophen und Soziologen derzeit feststellen. Dominique Gromes schaut mit ihnen übers Land.
BT: Mensch und Natur in Romantik und im Anthropozän/ Gromes11.34
MUSIK: (schon drauf) Olafur Arnalds /Doria (Island Songs)2.50
Mod.: Das war einer von Olafur Arnalds Island Songs zum Ausklang von Dominique Gromes Beitrag. Sie hat mit den Wölfen ins Tal geschaut wie so manche Figur auf Caspar David Friedrichs Gemälden. Die haben mit ihrer aussergewöhnlichen Bildsprache nach wie vor einen starken Appeal auf zeitgenössische Künstlerinnen, die italienische Bildhauerin Monica Bonvicini ist eine davon:
BT: CDF heute: Monica Bonvicini / Mitterer5.19
MUSIK: Björk / Nature is ancient
Mod. drüber: Noch einmal Island jetzt: Björk „Nature is ancient“
MUSIK: hochab 2.45 kann man jederzeit aussteigen
Mod.. Nature is ancient – Björk. Diagonal heute zur Person Caspar David Friedrich und da fahren wir jetzt noch einmal mit Erich Klein nach Dresden, wo Friedrich als junger Mann hin und nie wieder weggezogen ist.
BT: Wo alles begann 2 / Erich Klein8.18
MUSIK: Clara Schumann / Romanze op.5 in h-moll_Demus3.02
Mod.: Und das war jetzt doch Musik aus der Zeit von Caspar David Friedrich. Während er um seine Professur an der Akademie rang – und sie nicht bekommen hat – verzauberte sie als Wunderkind die feine Gesellschaft Dresdens: Clara Wiek – später Schumann. Ihre Romanze Opus 5 in H-Moll hat Jörg Demus interpretiert.
Viel ist gerätselt worden über Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ und wer das wohl gewesen sein könnte – man sieht ihn ja nur von hinten…. Horst Widmer ist dieser Frage mit einem belgischen Kunsthistoriker nachgegangen und entwickelt dabei schlüssige Analogien zwischen Haartracht und Revolution.
BT: Des Wanderers Haar /Horst Widmer 12 min.
Mod.: An ihrer Frisur sollt ihr sie erkennen!! Horst Widmer über Sturmfrisuren über dem Nebelmeer. Und ein kleines Apercu dazu noch aus dem Friedrich-Buch von Florian Illies:
zitat illies menschen: Caspar David Friedrich spielt mit dem Feuer. Ständig zeichnet er Figuren, obwohl er es überhaupt nicht kann. An der Akademie in Kopenhagen haben sie ihn schon verlacht deswegen, und in Dresden, da verspotten sie ihn schon wieder dafür. Dieses Aktzeichnen. Er bekommt es einfach nicht hin. Immer sind die Beine zu lang und die Oberkörper schlaff….. Ach, die Menschen, denkt er dann, sie sind mir so fremd. Und die Frauen erst. Wären sie Bäume, dann wüsste er, wie sie fühlen. Dann könnte er sie stundenlang anschauen und malen, in all ihren Details.
Mod.: Viel Landschaft, wenig Mensch – das war ein Diagonal über Caspar David Friedrich. Buch- und Ausstellungshinweise finden sich auf unserer Seite im Netz: oe1.orf.at/diagonal; das Gespräch von Erich Klein mit Florian Illies kann man in prachtvoller Ausführlichkeit im „Diagonal gefragt“ Podcast hören und wer die Bilder von Friedrich auch sehen will, der kann das am Montag abend um 23.15 in ORF 2 tun, in der Dokumentation „Caspar David Friedrich – Die Entdeckung der Unendlichkeit“.
Sign.: Studiotechnik: Gerald Domjan, Harald Landgraf und Anna Schuster-Kuncio, gesprochen haben: Eszter Hollosi, Till Firit, Jörg Stelling und Rafael Sas; mit Beiträgen von Erich Klein, Dominique Gromes und Horst Widmer. Regie: Petra Erdmann und Peter Waldenberger, Redaktion und Präsentation : Ines Mitterer.